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Porträt Kirill Petrenko

Der Anti-Maestro

Mit Kirill Petrenko bekommt die Bayerische Staatsoper einen bescheidenen Pult-Star als neuen Generalmusikdirektor.

vonTeresa Pieschacón Raphael,

Kaum 1,60 Meter groß, freundlich, bescheidenes Auftreten, jungenhaft verschmitztes Lächeln im bärtigen Gesicht und eine Neigung zur Selbstironie: Kirill Petrenko entspricht so gar nicht dem Bild eines in seinen Hochmut eingeschlossenen und narzisstischen Maestros. „Dirigenten sind Priester in einem Tempel, in dem die Götter ausgestorben sind“, witzelte Petrenko einst; spätestens jetzt ahnt man, warum alle so vernarrt sind in den Dirigenten aus Omsk, ihn „westsibirischen Mozart“, „Opernwundermann“ und „Uralstürmer“ nennen und dreimal in Folge zum „Dirigenten des Jahres“ wählten. Ausgerechnet ihn: „den Anti-Maestro“ schlechthin und doch einzigen „natural born conductor“, wie ihn sein Lehrer Semjon Bychkov beschreibt. Mit einem stolzen „Habemus maestrum generalem“ stellte auch Nikolaus Bachler, der Intendant der Bayerischen Staatsoper, seinen neuen Generalmusikdirektor vor, der die Nachfolge von Kent Nagano antritt. „Ich weiß, dass ich Verantwortung übernehme für ein sehr großes Haus – und die möchte ich übernehmen. Das bedeutet für mich als Dirigent, unter höchsten Ansprüchen Oper zu machen, mit den besten Sängern und einem Orchester, das mit größter Herzenshingabe musiziert“, freut sich Petrenko auf seine neue Aufgabe und hofft nur, beim Dirigieren nicht so zu „wackeln wie mit meiner Stimme jetzt“.

Von Omsk nach Bayreuth

 

Er wollte es schon immer „allzu gut machen“, sagt er. Als Kind eines Geigers und einer Programmansagerin aufgewachsen in Omsk, unweit der kasachischen Grenze, bekam er schon früh manche Härte mit, etwa den grassierenden Antisemitismus, der unverhohlen nach Glasnost in seiner Heimat zutage trat; „als man nun endlich seine Meinung sagen durfte“, wie er meint. Wohl deshalb beschlossen seine Eltern auszuwandern, obwohl sein Vater „alles, was er in dreißig Jahren in Omsk aufgebaut hatte“, aufgeben musste. Für Petrenko, der bereits mit elf Jahren öffentlich als Pianist aufgetreten war, wurde dies die Chance seines Lebens. Im österreichischen Feldkirch schloss er seine Klavierausbildung mit Auszeichnung ab und ging dann nach Wien. Dazwischen aber hatte er 1995, kaum 23 Jahre alt, noch in Voralberg als Operndirigent debütiert mit Benjamin Brittens Let’s Make an Opera. Von nun an schien es, als stünde sein Leben unter diesem Motto.

Von 1997 bis 1999 war er Kapellmeister an der Wiener Volksoper, danach folgte ein Engagement an das Theater in Meiningen, als jüngster Generalmusikdirektor Deutschlands überhaupt. Sein Meisterstück in dem kleinen Theater: Richard Wagners Ring des Nibelungen. An vier Abenden in Folge! Ein unglaublicher Kraftakt und die beste Vorbereitung für den Ring, den er 2013 im Bayreuther Festspielhaus (Inszenierung: Frank Castorf) mit Bravour stemmen sollte. „Ich scheitere immer gut vorbereitet“, schmunzelt Petrenko. Schließlich sei eine solche Karriere „nicht nur Glück, sondern extrem viel Arbeit“. Zwischen Meiningen und Bayreuth aber lagen noch fünf brillante Jahre als Generalmusikdirektor an der Komischen Oper in Berlin und Debüts an den großen Opernbühnen der Welt, sei es in Wien, London, Dresden, Paris oder an der Met in New York. Und an der Bayerischen Staatsoper mit Tschaikowskys Pique Dame.

Seine Pläne für München

 

Seinen Einstand als Generalmusikdirektor gibt er mit Strauss’ Die Frau ohne Schatten; eine Premiere, wie genau fünfzig Jahre zuvor bei der Wiedereröffnung des Münchner Nationaltheaters, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Weitere Premieren Petrenkos: Mozarts La Clemenza di Tito und Zimmermanns Soldaten sowie etliche Reprisen: Eugen Onegin, Der Rosenkavalier, Boris Godunow und Tosca. „Ich werde sehr präsent sein in München“, verspricht er, „und das Repertoire anpassen: Wagner, Mozart, die Italiener, Zeitgenössisches. Für mich ist es das Schönste, mich in mehreren Sprachen auszudrücken.“ Apropos Sprachen: „Was ist denn diese russische Seele?“, antwortete Petrenko einst auf die Frage eines Journalisten, was an ihm russisch sei: „Etwas Besonderes? Etwas sehr Schweres? Man kann bei einer Flasche Wodka alles Mögliche fließen lassen, auch Tränen. Aber in der Musik gibt es ein Tempo und ein Maß, eine Form, einen Inhalt. Da kann man sich nicht alles erlauben.“

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