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Interview Tabea Zimmermann

»Für mich gab es nie ein Leben ohne Musik«

Warum sich die Bratschistin Tabea Zimmermann vom schlechten Image ihres Instruments nie beeinflussen ließ.

vonChristoph Forsthoff,

Das ist halt das Pech der Spätgeborenen: Wer in einer großen Familie als viertes Kind das Licht der Welt erblickt, für den bleibt eben nur noch die Bratsche – „alles andere war bei uns schon vergeben“, erinnert sich Tabea Zimmermann an die Auswahl des Instruments. Doch die ebenso geistreiche wie charmante Schwarzwälderin hat aus der vermeintlichen instrumentalen Not eine musikalische Tugend und Karriere auf der Viola gemacht. Heute gilt die Wahlberlinerin als die wohl berühmteste Vertreterin ihrer Zunft – für die Hauptstadt hat die Professorin nun in Zusammenarbeit mit ihrer Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ das Programm zum „Viola-Fest 2013“ organisiert.

 

Setzen sich Journalisten ins Fettnäpfchen, die Sie nach Bratscherwitzen fragen?

 

(lacht): Nein, kein Problem. Mein Vor- und Nachteil – sowohl mit diesen Dingen als auch musikalisch – ist, dass ich ein sehr schlechtes Gedächtnis habe, also jedes Mal wieder neu lachen kann. Aber ich kann Ihnen leider keinen erzählen.

Warum ist die Bratsche im Laufe der Musikgeschichte so zum Gespött geworden?

Drehen wir es mal um und sagen: Das ist der pure Neid, oder? (lacht) Ich weiß es auch nicht: Vieles sind die ganz normalen Minderheitenwitze, die dann einfach auf die Bratsche umgemünzt werden. So richtig spezifische Bratschenwitze sind heute auch nicht mehr angebracht, denn das Niveau des Bratschenspielens hat sich überall deutlich verbessert, und man kann den Bratscher jetzt nicht mehr als den Idioten des Orchesters darstellen.

Da stimme ich Ihnen natürlich zu, aber dennoch ist das Image immer noch schlechter als das der anderen Streicher…

…weil das Spezifische des Instruments weniger das Solistische ist als vielmehr in der Kunst der Mittelstimme liegt. Das ist doch beim Gesang ähnlich, wo die Sopranistin oder der Tenor mehr Aufsehen erregen als die anderen Stimmen. Und die Kunst der Mittelstimmen, aus einem Ensemble, eben aus der Mitte heraus Dinge zu gestalten, das können die wenigsten überhaupt wahrnehmen oder gar beurteilen. Der ungeübte Hörer hört auf die Melodiestimme – aber was sich da im Geflecht der Stimmen sonst so abspielt, das kann nur wirklich schätzen, wer das selbst erlebt.

Nun werden auch Sie diese Besonderheit als Kind kaum wahrgenommen haben – was hat denn für Sie damals den Reiz des Instruments ausgemacht?

Das kann ich wirklich nicht so genau sagen, denn dadurch, dass ich mit drei Jahren angefangen habe, gab es für mich ja nie ein Leben ohne Musik, seit ich denken kann (lacht). Es gibt nur diese eine Identität für mich – ich kann mir mich selbst ohne Musik einfach gar nicht vorstellen! Zum Glück hatte ich einfach tolle Lehrer und von Anfang an immer das Gefühl, beim Musizieren etwas besonders Schönes erleben zu dürfen, auch wenn es mit viel Arbeit verbunden war: Da war das Kinderorchester in der Musikschule, das erste Streichquartett im Alter von vier Jahren, das Landes- und das Bundesjugendorchester – das sind Erfahrungen, die möchte ich wirklich nicht missen.

Und das haben Sie wirklich auch als Kind schon so empfunden? Meist stöhnen Kinder ja eher, wenn sie üben müssen…

Musik genießen zu können, Freude am Klang und Ausdruck, an der Kommunikation mit anderen, denn Musik hat eben immer auch mit Kommunikation und mit Menschen zu tun: Es sind so viele Dinge, die bei mir bei Musik positiv besetzt sind – und das war immer schon so. Ich brauche weder Radio noch sonstige Unterhaltung: Wenn ich ein schönes Stück gespielt habe, dann kann das noch zwei Wochen in meinem Kopf weiterlaufen und mir geht‘s einfach gut dabei (lacht). Und spiele ich das Werk dann das nächste Mal, ist es auch noch weiter gewachsen, weil es in mir weitergearbeitet hat.

Nun sind Sie nicht nur eine leidenschaftliche Musikerin, sondern auch eine ebensolche Lehrerin. Bereits als 21-Jährige wurden Sie Professorin – woher rührt diese Begeisterung?

Vielleicht war es dieser starke Eindruck des Musiklehrers und dieser ersten Musikschule in Lahr. Das ist einfach so positiv besetzt, dass es für mich nie eine Frage war, ob Unterrichten irgendwie zweitrangig wäre. Ich habe selber sehr gespürt, welchen Einfluss man damit hat, und mit welchem Glück ich da gesegnet war. Die Basis ist einfach wahnsinnig wichtig, und ich halte deshalb auch mehr von einer langjährigen Zusammenarbeit als etwa von diesem Kurs-Tourismus: Denn diese kurzen Begegnungen können zwar auch schon mal wichtig sein, aber die eigentliche Arbeit ist eine langfristige.

Und was macht für Sie den Reiz der Lehre aus?

Es ist eine sehr dankbare Aufgabe, auch wenn da viel Zeit drin steckt – aber arbeiten hat mich noch nie abgeschreckt (lacht). Und ich habe selber so viel profitiert von meiner eigenen Lehrtätigkeit: Diese Auseinandersetzungen mit den Studenten, das gemeinsame Suchen, die Nachfragen – das hat mir doch vieles über mein eigenes Spielen vermittelt, meine eigenen musikalischen Ideen sind mir heute viel klarer. Ich weiß nicht, ob ich heute die Künstlerin wäre, die ich bin, wenn ich nie unterrichtet hätte.

Nun unterrichten Sie ja nicht nur an der Hochschule „Hanns Eisler“, sondern haben dort jetzt auch das Viola-Fest 2013 organisiert – und ausgerechnet Hindemith in den Mittelpunkt gestellt! Da kommen zwei schwer Verdauliche zusammen…

(lacht) Wenn schon Vollkorn, dann gleich die Graupen… ja, ja. Ich finde Hindemith nicht schwer verdaulich, sondern mag die Musik wirklich sehr gern und habe schon seit Jahren sehr viele Werke von Hindemith in den verschiedensten Besetzungen immer auf meinen Tourneen dabei. Und seit ich in Berlin lebe, habe ich Hindemith auch meiner Hochschule ein bisschen näherbringen können, so dass jetzt ganz viele Kollegen und Studenten daran beteiligt sein werden.

Hatte Hindemith eine besondere Beziehung zur Bratsche?

Er war ein Allround-Musiker, der hätte eigentlich alles machen können. Zuerst hat er ja auch Geige gespielt als Konzertmeister in Frankfurt – als er dann ins Quartett kam, wurde halt die Bratsche sein Instrument – ich glaube, das war eher pragmatisch. So wie er ja auch aus pragmatischen Gründen manchmal neue Stücke komponierte, wie er selbst in einem Brief an seine Frau geschrieben hat: Ich schreibe mir jetzt eine neue Sonate, denn für die alte bräuchte ich abnorme Lust zu üben…

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