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Konzert-Kritik: Fazıl Say und hr-Sinfonieorchester beim SHMF

Fulminante Zielgerade

(Hamburg, 26.8.2025) In der Elbphilharmonie sorgt Fazıl Says Konzert für zwei Trompeten in Top-Besetzung für grandioses Kopfkino. Das hr-Sinfonieorchester und Alain Altinoglu überzeugen ebenso mit einem sinfonischen Klassiker.

vonJan-Hendrik Maier,

Das Schleswig-Holstein Musik Festival ist auf die Zielgerade seiner Jubiläumsausgabe eingebogen und setzte am Dienstag im ausverkauften Großen Saal der Elbphilharmonie mit „doppelter Freude“, so die programmatische Losung, zum Endspurt an. Fokuskünstler Fazıl Say, für den es das zehnte Konzert seiner Residenz war, das hr-Sinfonieorchester und dessen pianistisch versierter Chefdirigent Alain Altinoglu sorgten mit Bachs Doppelkonzert c-Moll BWV 1062 gleich zu Beginn für Wohlfühlatmosphäre.

Munter perlten die raschen Läufe in den Ecksätzen. Das zentrale „Andante e piano“ geriet innig und betont lebendig dank der von Say und Altinoglu variantenreich vorgetragenen Wiederholungen. Altinoglu leitete die Streicher, die trotz großer Besetzung zu einem kammermusikalischen Ton fanden, mit minimalistischer Mimik und sparsamen Gesten vom zweiten Flügel aus zu einem runden, leicht dunkel eingefärbten Klang an. Lediglich die dynamische Ausgestaltung der barocken Preziose hätte noch nuancierter sein können.

Bewiesen virtuose Vielseitigkeit: Selina Ott…
Bewiesen virtuose Vielseitigkeit: Selina Ott…
… und Gábor Boldoczki
… und Gábor Boldoczki

Bildgewaltiges Trompetenkonzert von Fazıl Say

Kopfkino wie bei einer sinfonischen Dichtung löste in der Folge Says Konzert für zwei Trompeten aus. Mal wähnte man sich auf einem belebten, umtriebigen und wuseligen Markt in der türkischen Heimat des Komponisten, mal stellte man sich vor, wie sich beide Soloinstrumente vor der farbintensiven Kulisse eines Sonnenuntergangs an einem lauen Sommerabend ein kurzes Erlebnis erzählen. So leichtfüßig die Komposition über weite Strecken für den Zuhörer auch klingt, so eminent anspruchsvoll sind die Solopartien, welche Selina Ott und Gábor Boldoczki jeweils an Flügelhorn, Bass- und Piccolotrompete mit Bravour und natürlicher Virtuosität meisterten. Gleichsam gefordert waren auch die Schlagwerker im Orchester, die mit Bongos, Tom-Toms, Congas, Vibrafon, tiefer Trommel, Barchimes, Klangstäben, Ratsche und nicht zuletzt vier sehr präsenten Pauken allerhand zu leisten hatten.

Im ersten Satz wechselten sich schnelle, rhythmisch äußerst markante Echopassagen mit melancholischen und jazzig eingefärbten Rufen ab, wobei die Soli gegen Ende Says populäre Klavier-Ballade „Black Earth“ zitieren. Im Andante entfalteten Ott und Boldoczki am Flügelhorn eine geschichtenhafte Klangwelt, deren harmonische Idylle zeitweise von einem wie aus dem Nichts kommenden Presto mit höchsten Tönen in der Piccolotrompete unterbrochen wurde. Der energiegeladene letzte Satz „In Memoriam“ schlug wiederum bedrohliche Klänge an – Say thematisiert hier explizit den Terroranschlag am Bahnhof von Ankara im Oktober 2015 mit mehr als einhundert Toten. Doch, und das ist das Schöne, am Ende obsiegte das Leben und die pure Freude daran. Als Zugabe spendierten Ott und Boldoczki ein kurzes Mozart-Duo.

Dvořáks „Neue Welt“-Sinfonie zum Genießen

Dass eine so häufig aufgeführte und gehörte Sinfonie wie Antonín Dvořáks Nummer neun immer noch Glücksgefühle hervorrufen kann, bewiesen das hr-Sinfonieorchester und Alain Altinoglu in der zweiten Hälfte des Abends. Mit sichtbarer Spielfreude und frei von künstlich wirkenden Experimenten genossen die Musiker die wohlbekannte Partitur, durch die Altinoglu mit präzisem, lebhaftem und energetischem Dirigat führte. Dass der Frankfurter Klangkörper insbesondere in den Holzbläsern über hervorragende Solisten verfügt, intensivierte den Genuss an dieser „Neuen Welt“.

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