Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Stargeiger Gidon Kremer die Musikgeschichte der letzten Jahrzehnte maßgeblich geprägt hat. Nicht bloß durch sein herausragendes Musizieren und seine Tätigkeit als Orchesterleiter, Kommunikator und Festivalchef, sondern vor allem auch durch die Entdeckungen, die er ermöglichte. Etwa, indem er Sofia Gubaidulina im Westen vorstellte und Astor Piazzolla in den Konzertsaal brachte. Jetzt hat sich Kremer dem bislang hierzulande weitgehend unbekannten tschechischen Komponisten Viktor Kalabis (1923–2006) gewidmet. Dessen „Duettina“ verbindet die rhythmisch-musikantische Spielfreude eines Strawinsky mit der Unbedingtheit eines Schostakowitsch. Gidon Kremer und Magdalena Ceple loten dieses Duett tief aus. In Kalabis’ mal zärtlich gehauchter, mal leidenschaftlicher „Kammermusik“ für Streichorchester finden sich feine Nuancen und Verästelungen. Der Clou dabei: Aus dem Orchesterklang tritt irgendwann ein Streichquartett heraus und Soli, die Gidon Kremer überaus berührend gestaltet. Das ist Musik, in die man sich hüllen möchte, wie in eine warme Decke. Das spannungsgeladene „Diptychon“ für Streichorchester bringt dichte Klangflächen und teils Mikropolyphonie. Genau das Richtige für die grandiose Kremerata Baltica.

Kalabis: Diptych op. 66, Duettina op. 67 & Kammermusik op. 21
Gidon Kremer (Violine), Magdalena Ceple (Violoncello), Kremerata Baltica, Fuad Ibrahimov (Leitung)
Hyperion