Beethoven: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“

Zur Zeit ihrer Entstehung revolutionierte die „Eroica“ die Musikgeschichte, Beethoven selbst nannte sie seine bedeutendste Sinfonie.

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Ludwig van Beethoven. Gemälde von Joseph Mähler, 1804/05

Ludwig van Beethoven. Gemälde von Joseph Mähler, 1804/05

Dezember 1804. Beethoven war rasend vor Wut: Hatte sich der von ihm zuvor innig verehrte Napoleon Bonaparte doch tatsächlich selbst zum Kaiser gekrönt! Dem Freiheitsideal des Komponisten stand das diametral entgegen. Den Plan, seine kurz zuvor fertiggestellte Sinfonie Nr. 3 Bonaparte zu widmen, verwarf er daraufhin. Ein Zeugnis der Aufgebrachtheit des Komponisten ist das erhaltene Titelblatt einer Partiturabschrift, aus der Beethoven die Widmung „intitolata Bonaparte“ regelrecht auskratzte.

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Ludwig van Beethoven, Manuskript der Sinfonie Nr. 3 "Eroica". Titelblatt mit der entfernten Widmung an Napoleon Bonaparte
Ludwig van Beethoven, Manuskript der Sinfonie Nr. 3 „Eroica“. Titelblatt mit der entfernten Widmung an Napoleon Bonaparte

Die Enttäuschung über das einstige Vorbild saß tief. Beethoven war bereits seit seiner Immatrikulation an der kurkölnischen Landesuniversität zu Bonn im Jahr 1789 elektrifiziert von der Persönlichkeit Bonapartes, mit dessen Idealen er damals erstmals in Berührung kam. Begeistert vom Gedankengut der Französischen Revolution mit ihrer Forderung nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, schien Napoleon ihm zunächst die geeignete Persönlichkeit, jene Grundsätze in Europa zu etablieren. So plante Beethoven gar im Jahr 1804 den Umzug von Wien nach Paris – ein Vorhaben, welches jedoch mit dem Ereignis vom 2. Dezember 1804 – der Selbstkrönung Napoleons zum Kaiser – sein jähes Ende fand. „Ist der auch nichts anderes wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher, wie alle anderen Stellen, ein Tyrann werden“, soll Beethovens Ausruf gewesen sein. Auch der Plan, seine Sinfonie „Bonaparte“ zu betiteln, war damit hinfällig. Laut seinem Schüler Ferdinand Ries zerriss Beethoven gar das originale Titelblatt der Sinfonie und ließ es bei der Neuanfertigung mit dem heutigen Beinamen „Eroica“ versehen.

„Zu Ehren eines großen Mannes“

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Napoleon auf dem Kaiserthron. Gemälde von Jean-Auguste Dominique, 1806
Napoleon auf dem Kaiserthron. Gemälde von Jean-Auguste Dominique, 1806

Die Musik jedoch, dessen erste Kompositionsskizzen auf das Jahr 1802 datiert sind, veränderte Beethoven nicht. Eine exakte Erklärung dafür liegt im Dunkeln, so lautet allerdings der Untertitel der Erstausgabe „Sinfonia Eroica, composta per festeggiare il sovvenire di un grand Uomo“ – zu Ehren also eines „großen Mannes“. Bekannt ist, dass Beethoven nicht nur Sympathien für Napoleon hegte, sondern auch für dessen Gegner, etwa Lord Nelson oder dem General James Abercrombie. Letzterer war 1801 in der Schlacht gegen die Franzosen gefallen, was Beethoven vermutlich dazu veranlasste, einen Trauermarsch in die Sinfonie zu integrieren. Naheliegend ist somit die Annahme, dass er seine „Eroica“ schließlich nicht mehr als ein musikalisches Statement für sondern gegen Napoleon sah, um die freiheitlichen Ideale, von denen er zeitlebens überzeugt war, weiterhin zu verteidigen.

Die „Eroica“

Neben den revolutionären Umständen der Zeit nach 1789, unter deren Eindruck die Sinfonie entstand, war es vor allem die Musik selbst, die wirklich bahnbrechend war. Nicht ohne Grund wird die „Eroica“ heute als der Grundstein der großen klassisch-romantischen Sinfonie-Gattung betrachtet. Alleine die Dimension der Komposition mit einer Aufführungsdauer von bis zu einer Stunde übertraf die Konventionen der Zeit um das Doppelte. Neu war zusätzlich die Ausführlichkeit des Kopfsatzes, die der Schlichtheit des erwähnten Trauermarsches im zweiten Satz kontrastierend entgegen stand. Auch die Kombination von Variation und der barocken Form des Fugato stellt ein absolutes Novum der Musikgeschichte dar.

Ihre Wirkung erzielt die „Eroica“ auch ohne ihren geplanten Beinamen, zudem wird sie heute zu den bedeutendsten Werken des Komponisten gezählt. Das fand auch Beethoven selbst, als er auf die Frage des österreichischen Dichters Christoph Kuffner, welche seiner Sinfonien er für seine bedeutendste halte, antwortete: „Die Eroica.“

Die wichtigsten Fakten zu Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“:

1. Satz: Allegro con brio
2. Satz: Marcia funebre (Adagio assai)
3. Satz: Scherzo (Allegro vivace)
4. Satz: Finale: Allegro molto – Poco andante – Presto

Orchesterbesetzung: Zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, drei Hörner, zwei Trompeten, Pauken, Streicher

Spieldauer: ca. 50 min

Uraufführung: Die Uraufführung fand im privaten Rahmen am 9. Juni 1804 im Wiener Palais statt, da der Fürst Joseph Lobkowitz das alleinige Aufführungsrecht erworben hatte. Die erste öffentliche Aufführung fand am 7. April 1805 im Theater an der Wien statt.

Referenzeinspielung

Beethoven: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“

Beethoven: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“

Gewandhausorchester Leipzig
Riccardo Chailly (Leitung)
Decca

Eine herausragende Interpretation gelingt Riccardo Chailly gemeinsam mit dem Gewandhausorchester auf dieser Einspielung aus dem Jahr 2011. Kompromisslos, puristisch und gänzlich auf den heroischen Charakter der Sinfonie fokussiert, dirigiert Chailly hier mit dem Fuß auf dem Gaspedal – ein wirklich spannender Beethoven bis zum letzten Takt.

Donnerstag, 23.05.2024 18:30 Uhr Konzerthaus Berlin
Sonntag, 26.05.2024 15:00 Uhr Konzerthaus Berlin
Sonntag, 16.06.2024 11:00 Uhr Philharmonie Essen

Buchcover: Präludien für das Publikum von Mathias Husmann(UA Wien 1804)


Zwei Akkorde wie geballte Fäuste!! Dann sofort – tief und leise (wie hinter vorgehaltener Hand) – das Hauptthema in den Violoncelli; in den Violinen die Reaktion darauf: ein Aufleuchten in den Augen – was für eine Idee! Nun gilt es Mut und Kraft, sie zu verwirklichen…wovon die Rede ist? Von der Idee der Freiheit! Die Eroica ist die erste politische – oder philosophisch gesagt: die erste weltanschauliche Symphonie der Musikgeschichte. Sie war zu ihrer Zeit Zukunftsmusik, und sie ist es auch heute, denn Freiheit bleibt immer Ziel. In dieser breit angelegten Symphonie – sie dauert über fünfzig Minuten – stehen nicht die Themen im Vordergrund (das Hauptthema begann unscheinbar), sondern die sich daraus entwickelnden gewaltigen Steigerungen.


Das Seitenthema – ein inständiger, zwischen Bläsern und Streichern wechselnder Choral – ist wie ein Blick ins menschliche Herz: da sind Liebe und Hoffnung, Tränen und Zweifel…


Die Schlußgruppe ist wie ein kategorischer Imperativ: handle! Sechs Akkordschläge – sind es Schüsse? – markieren den kriegerischen Ernst.


Die dramatische Durchführung kennt Kampf, Sieg, Schmerz und Niederlage; besonders schön ist das erschöpfte Thema der Klage. Dieses prägt auch die nächtliche Coda, bevor die Sonne aufgeht…


Die edelste Fähigkeit der menschlichen Gesellschaft ist die, zu trauern, Schuld zu bekennen, zu vergeben. Dem dient der erschütternde, grandiose Marcia funebre. Nur wer so am Boden liegt, hat die Freiheit verdient…


Das Scherzo beginnt wie das erste Atemholen in der neuen Freiheit. Da Beethoven in der Eroica drei Hörner verwendet, können die Hornisten ein prächtiges Trio gestalten – dafür müssen sie nur – in Freiheit – gut Atem holen!


Im Finale gibt sich die „prometheische“ Gesellschaft der Zukunft eigene Gesetze: das Passacagliathema (Pizzicato) setzt den Rahmen, die Variationen gestalten das Leben darin.


Es ist bezeugt, wie Beethoven die Titelseite der Eroica mit der Widmung an Konsul Bonaparte wütend zerriß, als dieser sich 1804 zum Kaiser Napoleon krönte: „Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, ein Tyrann werden!“


Der Dichter Franz Grillparzer forschte Beethoven aus: „Wenn man wüßte, was Sie bei Ihrer Musik denken…“ Beethoven dachte nicht bei Musik, er dachte in Musik – dennoch: die EROICA als utopische Symphonie der demokratischen Gesellschaft zu denken ist verlockend. Schon zu Ehren dieser herrlichen Musik müssen wir Freiheit verwirklichen, leben und schützen!


(Mathias Husmann)