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Daniil Trifonov und Jakub Hrůša in der Elbphilharmonie

Passionspralles Genussmusizieren

(Hamburg, 13.5.2024) Daniil Trifonov als genialischer Klaviervirtuose, Jakub Hrůša mit wirkungsvollem dirigentischem Understatement und das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia mit geerdeter Klangwucht berauschten das Publikum in der Elbphilharmonie zum Start der gemeinsamen Deutschlandtournee.

vonPeter Krause,

Sein Dirigierstil ist diszipliniert und disziplinierend, schlagtechnisch makellos, von ausgeprägtem Understatement. Showeffekte hat Jakub Hrůša so gar nicht nötig. Das Verblüffende an seiner gewissermaßen ökonomischen Perfektion eines Kapellmeisters aber ist: Was an klanglichem Ergebnis im Konzert herauskommt, scheint viel mehr zu sein als seine Gesten es nahelegen. Will sagen: Die Probenarbeit muss von einem absoluten gemeinsamen Geist des Gestaltens und maximalen künstlerischen Wollen geprägt sein. Oder aber: Jakub Hrůša gibt dem Orchester genau das, was die Musikerinnen und Musiker brauchen.

Das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia, das Antonio Pappano in seiner langen und glücklichen Amtszeit von 2005 bis 2023 kontinuierlich auf internationales Spitzenniveau gebracht hat, verströmt aber auch eine gleichsam körperliche Klangwucht – als Steilvorlage für einen Dirigenten, der damit etwas anfangen kann und will. Die Sonne des Südens strahlt da in dunkler Glut aus den herrlich homogenen Streichern. Lukullisch zwitschern die Holzbläser, potent das Blech. Die Römer verstehen sich auf ein Genussmusizieren, das aus dem Bauch kommt und beim Publikum direkt in das hörende Herz dringt.

Daniil Trifonov kostet den Klangreichtum von Gershwins Klavierkonzert voll aus

Die erdende Akustik seines heimischen Auditoriums Parco della musica, das Architektenstar Renzo Piano entwarf, muss über die Jahre auf den Charakter des Orchesters abgefärbt haben. Die Hamburger Elbphilharmonie, in der jetzt die Deutschlandtournee des Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia startete, ist da freilich das genaue Gegenteil. Sie befördert ein luzide transparentes, ein behutsames Musizieren der dynamischen Zurückhaltung. In George Gershwins Klavierkonzert, dieser klassischen Schwester der jazzigen „Rhapsody in Blue“, musste sich in den fortissimofreudigen Allegro-Ecksätzen die Balance zwischen Orchester und Solist noch eingrooven.

Daniil Trifonov kostete die improvisatorischen Freiheitsmomente in den multiplen Off-Beats dennoch freudig aus, seine klangsinnliche Veredelungstaktik wahrer Luxusläufe oder die duftig ausgehörten Pastelltöne im Adagio unterstrichen seinen Ausnahmerang eines genialischen Virtuosen. Und doch: Erst in seiner Bach-Zugabe schien er ganz bei sich und der Größe seiner Kunst zu sein. Mit den „Sinfonischen Tänzen“ von Sergej Rachmaninow fanden das Orchester und sein Erster Gastdirigent nach der Pause vollends zusammen und knackten mit ihrer klanglichen Körperlichkeit auch die Elbphilharmonie. Jakub Hrůša und die Römer schwelgten mit klarem Kopf, fanden zu Klangfarbenzauber, butterweichen atmenden Übergängen. Dann noch ein doppelter Smetana als Zugabe – und die Elbphilharmonie war wie im Rausch.

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