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Verdi: Aida

Bis heute ist Verdis „Aida“ eine der meist gespielten Opern der Welt – und das hat nicht nur mit dem legendären Triumphmarsch zu tun.

vonNicolas Furchert,

Es gibt klassische Werke, die schaffen es bis ins Fußballstadion. Nein, nicht Paul Potts ist gemeint, der vor manchem Spiel Puccini zum Besten gab, sondern Gesänge der Fans. Ob die wissen, wer im Triumphmarsch aus Verdis „Aida“ über wen triumphiert hat? Vermutlich nicht. Doch auch den meisten der Opernbesucher dürfte nicht bekannt sein, dass Verdi selbst nur von einem „Hymnus“, einem feierlichen Gesang sprach. Die sechs verwendeten Trompeten wurden damals eigens angefertigt und fanden danach weder bei Verdi noch woanders weitere Verwendung.

Aus „Aida“ wäre beinahe „Amneris“ geworden

Giuseppe Verdi dirigiert "Aida" bei der Pariser Erstaufführung 1880
Giuseppe Verdi dirigiert bei der Pariser Erstaufführung der „Aida“ 1880

Was nichts daran ändert, dass „Aida“ eine der meistgespielten Opern wurde – bis heute. Aida ist zwar eine äthiopische Prinzessin, aber in ägyptischer Gefangenschaft. Sie muss ihrer ägyptischen „Kollegin“ Amneris als Sklavin dienen. Beide lieben den ägyptischen Feldherrn Radamès. Amneris hat in diesem Duell die weitaus besseren Voraussetzungen, doch Radamès entscheidet sich für Aida. Eine Konstellation, die reichlich Stoff bietet für dramatische Szenen. Während Aida hin- und hergerissen ist zwischen der Liebe zu ihrem Land und der zu Radamès, schreibt Verdi für Amneris eine der interessantesten Mezzosopranpartien der Operngeschichte und hätte die Oper sogar fast nach ihr benannt.

Als Radamès schließlich ohne es zu wissen dem äthiopischen König die Position der ägyptischen Truppen verrät, wird er zur Strafe lebendig eingemauert. Aida teilt freiwillig sein Schicksal. So endet die Oper, bei der im zweiten Akt in manchen Inszenierungen neben hunderten Statisten sogar Elefanten auf die Bühne kommen, ebenso wie sie begonnen hat: im absoluten Pianissimo.

Klassische Zutaten der Pariser Oper

Musikalisch gesehen handelt es sich eigentlich um eine Grand Opéra. Massenszenen, Balletteinlage und ein Konflikt zwischen Pflichterfüllung und Leidenschaft sind die klassischen Zutaten der Pariser Oper in dieser Zeit. Nach Guiseppe Verdis Erfahrungen mit „Don Carlo“, dessen ursprüngliche Fassung für Paris und auf Französisch komponiert wurde, wollte der Italiener allerdings nur noch seine Muttersprache vertonen.

Mit der Einweihung des Suezkanals hat „Aida“ übrigens nur bedingt zu tun. Der war längst fertig, als Verdi, gelockt von einem geradezu königlichen Honorar, seine Zusage gab. Für den Suezkanal erklang stattdessen „Rigoletto“, wie Mathias Husmann in seinen „Präludien fürs Publikum“ schreibt.

Die wichtigsten Fakten zu Guiseppe Verdis „Aida“

Akte
Erster Akt, erstes Bild: Saal im Königspalast in Memphis
Erster Akt, zweites Bild: Im Vulcantempel in Memphis
Zweiter Akt, erstes Bild: In Amneris’ Gemächern
Zweiter Akt, zweites Bild: Stadttor von Theben
Dritter Akt: Am Nil
Vierter Akt, erstes Bild: Im Königspalast
Vierter Akt, zweites Bild: Ein Gewölbe im Vulcantempel

Orchesterbesetzung: Drei Flöten, zwei Oboen, Englischhorn, zwei Klarinetten, Bassklarinette, zwei Fagotte, vier Hörner, zwei Trompeten, zwei Cornets à piston, drei Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, zwei Harfen, Streicher
Bühnenmusik: Sechs „ägyptische“ Trompeten, zwei Harfen, Militärkapelle

Spieldauer: 3 Stunden

Die Uraufführung fand am 24. Dezember 1871 in Kairo statt.

Referenzeinspielung

Album Cover für Verdi: Aida

Verdi: Aida

Arnold Schoenberg Chor, Wiener Philharmoniker, Nikolaus Harnoncourt (Leitung), Mitwirkende: Laszlo Polgar, Olga Borodina, Matti Salminen, Dorothea Röschmann, Thomas Hampson
Warner

Nach Barock und Wiener Klassik hat sich Nikolaus Harnoncourt in seinen späteren Jahren auch der Spätromantik zugewandt. Die Aida-Produktion von 2001 ist dabei durchaus umstritten. Nicht alle Sänger überzeugen, und an die oft langsameren Tempi muss man sich gewöhnen. Auf der anderen Seite war die Orchesterbegleitung nie so transparent zu hören und hatten die Harfen im Nilakt nie so einen warmen Klang. Und die (natürlich) eigens angefertigten Trompeten im Triumphmarsch klangen nie so scharf und werfen damit ein grelles Licht auf den sonst harmlos wirkenden Hymnus.

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Präludium

(UA Kairo 1871) Wenn die ersten Takte der Aida-Melodie in gedämpften Violinen erklingen, sehen wir ein Gesicht vor uns: zwei lang gezogene Augenbrauen – die eine stolz, die andere sanft, die Gegenbewegung wirkt wie ein gradliniger, tief atmender Nasenrücken, die Kadenz wie geschwungene Lippen – sinnlich und schmerzvoll bebend. Legenden ranken um diese Oper – wahr ist: Aida  war zur Eröffnung des Suezkanals 1869 im gleichzeitig erbauten Opernhaus Kairo gedacht. Doch Verdi ließ sich nicht drängen – und man spielte Rigoletto. Erst 1870 kam es zum Vertrag. Er enthielt die bisher höchste Summe für einen Kompositionsauftrag: 150.000 Francs. Die Uraufführung verzögerte sich, da im deutsch-französischen Krieg 1870/71 die Dekorationen im belagerten Paris eingeschlossen waren – „maledetti Goti!“ kommentierte Verdi, „verdammte Goten!“ Der Dramatiker Antonio Ghislanzoni schrieb das Libretto sozusagen unter den Augen Verdis und nach dessen detaillierten Wünschen für parole sceniche (Bühnensprache). Verdi reiste nach Ägypten und ließ sich von der Sonne und den Pyramiden zu glühender Melodik und exotischer Harmonik inspirieren. Auf Darstellungen in den Königsgräbern sah er langhalsige Blasinstrumente, die er in Mailand nachbauen ließ: die Aida-Trompeten. Zwei Frauen – die Pharaonentochter Amneris, und die in Ägypten gefangen gehaltene äthiopische Königstochter Aida kämpfen um die Liebe des Feldherrn Radames. Dieser kehrt als Sieger vom Kampf gegen die Äthiopier heim, aber sein Herz schlägt für Aida. Dem inneren Verrat folgt der äußere, er wird verurteilt und lebendig eingemauert. Aida stirbt mit ihm – sie hatte sich in der Grabkammer verborgen. Über dem geschlossenen Stein trauert Amneris und in der Ferne rufen die Priester – mit dieser Simultanszene endet die Oper: „O Erde, lebe wohl, du Tal der Tränen.“ Ergreifende Arien, dramatische Ensembles, mystische Tempelgesänge, grandiose Massenszenen mit Triumphmarsch und Ballett, reiches Orchesterkolorit mit ausdrucksvollen Soli vom Kontrabass bis zur Flöte – Aida ist Musikdrama und große Oper in einzigartiger Steigerung. Verdi war bei der Premiere nicht anwesend. Aber er dirigierte Aida überall in Italien vor ausverkauften Häusern, um die von Krisen geschüttelten Theater zu unterstützen. Er selbst geriet nach dem Aida-Triumph in eine Krise – stand er nicht auch zwischen zwei Frauen? Wurde er nicht von der Presse als von Wagner beeinflusst des Verrates beschuldigt? Lebte er nicht in Sant’Agatha wie eingemauert? Einen begonnenen Lear gab er auf. Bis zu Otello sollten fünfzehn Jahre vergehen. Mit dem Requiem versuchte er, seine innere Krise zu bewältigen. (Mathias Husmann)
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