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Porträt François-Xavier Roth

„Liebe auf den ersten Blick“

François-Xavier Roth will das Kölner Gürzenich-Orchester für alle in der Stadt öffnen

vonGeorg Rudiger,

„Das muss sich anfühlen wie ein Roadmovie im Jurassic Park“, fordert François-Xavier Roth. Dunkle, unheimliche Klänge möchte er bei den Chairman Dances von John Adams hören. Gar nicht so einfach, denn auf der Bühne des Freiburger Konzerthauses sitzen an diesem Tag nur wenige Mitglieder seines SWR Sinfonieorchesters – die meisten Musiker hier sind indes Laien im Alter von 15 bis 77 Jahren. „Patch“ heißt das aufwändige Projekt, bei dem am Ende in Mussorgskys Bilder einer Ausstellung auch noch 90 Kinder der örtlichen Musikschule mitwirken – alle auf einer Bühne. Denn das ist Roths Credo: Er möchte die verschiedenen musikalischen Gruppen einer Stadt einbeziehen. So auch in Köln, wo er in der neuen Spielzeit als Generalmusikdirektor beginnt und das Gürzenich-Orchester für alle gesellschaftlichen Gruppen öffnen will. Viele Kinder- und Jugendprojekte sind geplant, die Musiker werden die Philharmonie verlassen, um sich mit der elektronischen Musikszene der Stadt zu verbinden.

„Ich möchte ganz verschiedene Seiten des Orchesters zeigen“

Doch Roth ist noch viel mehr als „nur“ ein hervorragender Musikvermittler. Mit den SWR-Sinfonikern hat der Franzose Strauss’ sinfonische Dichtungen transparent und ungeheuer plastisch eingespielt. Dem traditionellen Repertoire hört er neue Seiten ab, die Moderne macht er greifbar, die Alte Musik aufregend. So kombiniert der neue Chefdirigent im Saison-Eröffnungskonzert des Gürzenich-Orchesters denn auch Schönbergs Kammersymphonie mit Boulez’ Notations und Bruckners Vierter. „Ich möchte mit dem Programm ganz verschiedene Seiten eines Sinfonieorchesters zeigen. Bei Schönberg haben wir eine kleine, 15-köpfige Solistengruppe auf der Bühne“, erklärt der Gürzenich-Kapellmeister. „Boulez verlangt ein Riesenensemble mit 120 Musikern – und mit der vierten Sinfonie von Bruckner erweise ich der großen Tradition dieses Orchester meine Reverenz, das ja unter Günter Wand exemplarische Bruckner-Deutungen vorgelegt hat.“ Für ihn sei die Begegnung mit diesem Orchester Liebe auf den ersten Blick gewesen. „Sehr flexibel, fließend, einfach“, erinnert sich der Dirigent. „Das Orchester hat natürlich einen gewissen Stolz, aber ist überhaupt nicht arrogant.“

Abwicklung in Freiburg, Ausbau in Köln

Neubeginn hier – Abschied dort: Denn in Freiburg ist die Saison 2015/16 nicht nur für Roth die letzte, sondern auch für das Orchester, das ab Sommer 2016 mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart fusioniert wird. Couragiert hat er gegen diese Fusion gekämpft, selbst Rüffel seines Intendanten eingesteckt. „Auch wenn wir letztlich nicht erfolgreich waren – der Kampf war wichtig für unsere Moral.“

In Köln erwarten Roth nun gänzlich andere politische Voraussetzungen: Die Stadt möchte das Orchester stärken, entsprechend gut ist der Dialog mit dem Oberbürgermeister. Noch jedenfalls, denn als Generalmusikdirektor ist Roth auch für die Oper zuständig, doch die Wiedereröffnung des mehrere Jahre lang sanierten Opern- und Schauspielhauses ist im Sommer 2015 wegen Problemen und Unregelmäßigkeiten bei den Baumaßnahmen geplatzt – und auf unbestimmte Zeit verschoben. Berlioz’ Benvenuto Cellini hatte der neue Chef dirigieren wollen, eine „brillante, völlig unterschätzte Oper, geradezu ideal für diesen Anlass. Auch der Karneval spielt eine große Rolle in dem Werk – das passt natürlich hervorragend zu Köln.“ Doch aktuell herrscht nun am Rhein eher Aschermittwoch-Stimmung, denn statt einer neuen gibt es erst einmal gar keine Oper, sondern lediglich Mehrkosten in Millionenhöhe.

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