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Konzert-Kritik: Ragnhild Hemsing im Prinzregententheater

Im Grenzland zwischen Klassik und Folklore

(München, 18.3.2024) Ragnhild Hemsing kam mit Hardangerfiedel und Violine ins Münchner Prinzregententheater. In den Trondheim Soloists fand sie kongeniale Partner.

vonMaximilian Theiss,

Eigentlich ist die Hardangerfiedel ein hoch eigenartiges Instrument. Sie gehört zu den Lauteninstrumenten, ähnelt aber eher der Viola d’amore, die wiederum der Bratsche nicht unähnlich ist; ihre Stimmung jedoch entspricht meist derjenigen der Violine. Doch freundet man sich schnell an mit dem eigentümlichen Klang des südnorwegischen Folkloreinstruments: nasal, trotzdem dank der nicht gespielten, aber mitklingenden Resonanzsaiten mit satter Klangfülle, außerdem erstaunlich wandlungsfähig. Ragnhild Hemsing als herausragende Botschafterin der Hardangerfiedel offenbart seit einigen Jahren diese Vielfalt: mal sehnsüchtig, mal feierlich, mal derb, dann wieder introvertiert, trauernd, verzweifelt, fröhlich, unbeschwert lässt sie die Hardangerfiedel erklingen, wobei die ausgebildete Violinistin meist auch die klassische Geige griffbereit hat. Vier Alben veröffentlichte sie in den letzten vier Jahren, auf denen sie die Grenzen zwischen Folklore und klassischen (oft norwegischen) Kompositionen mal charmant verwischt, mal dezidiert aufrechterhält.

Für ihre Liveauftritte konnte Hemsing zahlreiche große Orchester und kleinere Ensembles für sich gewinnen, darunter die Göteborger Symphoniker, die Württembergische Philharmonie Reutlingen, das Bergen Philharmonic Orchestra, bei dem sie vierzehnjährig mit Mendelssohns Violinkonzert debütierte, oder die Trondheim Soloists. Mit ihnen offenbarte sie im Münchner Prinzregententheater einen janusköpfigen Edvard Grieg, dessen Schauspielmusik zu Henrik Ibsens „Peer Gynt“ sie in einem Arrangement des norwegischen Komponisten Tormond Ivete Vik mal auf der Violine, mal auf der Hardangerfiedel spielte. Griegs Zyklus blieb dabei konsistent und in sich geschlossen, und doch grenzten sich da zwei musikalische Kulturen fein voneinander ab: hier das vertraute klassische Terrain, dort der musikalische Gruß aus dem Norden. Die Trondheim Soloists fanden ihre Rolle als kammerorchestrales Spiegelbild, als klangliche Verlängerung von Hemsings Spiel. Ihr schlanker Ton verlieh dem „Peer Gynt“ eine bezwingende Noblesse selbst beim fulminanten Finale „In der Halle des Bergkönigs“.

Komponisten aus allen skandinavischen Ländern vertreten

Ihre wirkliche Größe offenbarten die Trondheim Soloists gleich zu Beginn des Konzerts mit dem dritten Streichquartett des finnischen Serialisten Aulis Sallinen und einem Stück der schwedischen Komponistin Britta Byström aus ihrer Serie „A Walk to“, das sie dem Dänen Niels Gade gewidmet hatte. Damit waren denn auch bei diesem Konzert direkt und indirekt Komponisten aus allen skandinavischen Ländern vertreten. In den schönsten Momenten agierte das Ensemble wie ein einziges Instrument, bei dem jedes gemeinsam gespielte Pizzicato auf dem Punkt synchron erklang. Auch bei diesen beiden Stücken, insbesondere bei Sallinen, wechselten kontrastierend zwei musikalische Welten im Minutentakt, nämlich die tonale und die atonale. Gegensätze ziehen sich an, heißt es so schön. An diesem Abend allemal.

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Ragnhild Hemsing (Violine) Bergen Philharmonic Orchestra Eivind Aadland (Leitung) Berlin Classics

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