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Opern-Tipps im November: Tierisch gutes Musiktheater

Mit Fell und Federkleid

Ob in alten Mythen oder in der modernen Fabel: Tiere öffnen den Blick auf das Menschliche und spielten auch in der Oper seit jeher eine wichtige Rolle.

vonAndré Sperber,

Ob nun im übertragenen oder im buchstäblichen Sinne, Tiere haben in der Operngeschichte schon immer eine Rolle gespielt. Zum einen als lebendige Requisiten: Schon in den barocken Hofopern etwa dienten Tiere in Inszenierungen als Zeichen für Macht, Exotik und Naturbeherrschung. Schlachtszenen mit echten Pferden, pastorale Hirtenidyllen mit realistischen Schafherden oder pompöse Aufmärsche mit Kamelen und sogar lebensechten Elefanten brachten das Publikum zum Staunen. Auch im 19. Jahrhundert waren solche zirkusreifen Spektakelstücke der letzte Schrei. Heute hingegen ist der Einsatz lebender Tiere auf der Opernbühne aus Tierschutzgründen umstritten, wenn nicht gar verpönt – was allerdings keinesfalls heißt, dass er nicht mehr vorkommt. Gerade erst sorgten Kaninchen und Meerschweinchen in Dmitri Tscherniakovs Versuchslabor-Inszenierung vom „Ring des Nibelungen“ an der Berliner Staatsoper für Kontroversen. 

Deutlich weniger strittig – und dem Tierwohl nicht abträglich – ist die rein künstlerisch inspirierte Verbindung von Fauna und Oper. Viele Komponisten machten die Tierwelt auf unterschiedlichste Weise zum Akteur ihrer Werke, wie sich derzeit überall feststellen lässt. 

Fuchs und Katz‘ als Protagonisten

Geradezu ein Paradebeispiel schuf Leoš Janáček 1924 mit seiner Oper „Das schlaue Füchslein“, in der er einem Tier sogar die Hauptrolle einräumt. Die Geschichte über die gewiefte Füchsin, die mit der Welt der Menschen in Kontakt kommt, entstammt ursprünglich einem Zeitungscomic. Doch handelt es sich bei dem Werk mitnichten um ein verspieltes Märchen, sondern um eine tiefgründige, vielschichtige Parabel, die mit poetischer Klarheit und musikalischer Raffinesse vom Kreislauf des Lebens erzählt. Regisseur Stephan Kimmig inszeniert die Fabel bewusst unter dem unverniedlichten Titel „Die schlaue Füchsin“ an der Staatsoper Stuttgart. Es dirigiert Ariane Matiakh.

In ein durchweg satirisch-tierisches, um nicht zu sagen: „kätzerisches“ Universum entführt uns Hans Werner Henze in seinem Zweiakter „Die englische Katze“ aus dem Jahr 1983: Eine Gruppe bürgerlicher, vegetarisch lebender Katzen hat die „Gesellschaft zum Schutz der Ratten“ gegründet. Gute Vorsätze schützen die vierbeinigen Protagonisten jedoch nicht vor komplizierten Dreiecksbeziehungen, Heuchelei, Raffgier – oder gar Mord. Was zunächst nach einem Cocktail aus dem Disney-Film „Aristocats“ und dem Musical „Cats“ klingt – beide Werke entstanden vor der Henze-Oper –, hält dem Publikum der Bayerischen Staatsoper in Christiane Lutz’ Inszenierung mit neoklassisch anmutender Musik schonungslos den Spiegel vor.  

Federvieh und Nachtgetier

Zwar keine sprechende, aber dennoch eine tragende Rolle kommt dem Schwan in Wagners „Lohegrin“ zu. Als sagenumwobenes Symbol der Reinheit und Unschuld zieht er das Boot des Gralsritters den Fluss herab, am Ende erweist er sich als verzauberter Mensch. Während aber bei Janáček oder Henze kaum einer auf die Idee kommen würde, die Opern von echten Füchsen oder echten Katzen spielen zu lassen, sieht das beim hehren Lohengrin-Schwan schon anders aus. 2012 etwa zeigte Frank Hilbrich in seiner Inszenierung am Theater Freiburg einen lebenden Entenvogel. Prompt büxte der Schwan während einer Vorstellung aus und landete nach kurzem Geflatter mitten im Orchestergraben – zum Amüsement und Schrecken aller Anwesenden. Bleibt zu hoffen, dass Regisseur Manuel Schmitt bei seinem neuen Karlsruher „Lohengrin“ auf altbewährtes künstliches Federvieh zurückgreift.    

Federn in all ihrer Farbenpracht verbindet man auch mit Mozarts „Zauberflöte“, die im Luzerner Theater unter der Regie von Christine Cyris Premiere feiert. Papageno, der Vogelfänger, ist zwar kein Tier, aber doch ein Vogelmensch – halb Naturwesen, halb Narr, der in seiner Naivität den Zauber der Tierwelt verkörpert, allegorisch für Freiheit und Lebenslust steht, während die Königin der Nacht ihre Macht mit Schlangen und Nachtgetier demonstriert. – Und bei Nachtgetier fällt einem auch gleich die Fledermaus ein, die dank Johann Strauss, dem Jüngeren, für ewig mit der Operettenwelt in Verbindung steht. Kleiner Ausblick: Gleich drei „Fledermäuse“ in Braunschweig, Zürich und Innsbruck feiern im Dezember Premiere.








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