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Puccini: Madama Butterfly

Die herzzerreißende Geschichte sowie die atemberaubende, exotische Musik machen Puccinis Oper „Madama Butterfly“ zu einem seiner populärsten Werke

vonJulia Hellmig,

Es sollte ein Besuch mit weitreichenden Folgen werden: Im Juni 1900 weilte Giacomo Puccini anlässlich der englischen Erstaufführung seiner „Tosca“ in London. Von einem Freund wurde er dazu angeregt, in das Duke of York’s Theatre zu gehen, um sich David Belascos Tragödie „Madame Butterfly“ anzusehen. Zwar war Puccini des Englischen kaum mächtig, doch war er von dieser „Tragödie einer Japanerin“ zutiefst fasziniert und berührt. Der Stoff für ein neues Opernprojekt war gefunden.

Über Japan war im Westen im 19. Jahrhundert nur wenig bekannt. Nach der gewaltsamen Öffnung des Landes durch die US-Marine (1853/54) verfolgten die Japaner nach weiteren, tiefgreifenden Umbrüchen das Ziel, ihr Land nach westlichem Vorbild zu modernisieren. Auf der Pariser Weltausstellung 1967 sorgte Japan für einen regelrechten Hype. Auch die Künste in Europa gerieten im 19. Jahrhundert in diesen Sog einer neuen, exotisch anmutenden Ästhetik.

Ein steiniger Weg

Giacomo Puccini: Madama Butterfly. Deckblatt des Librettos, Ricordi-Verlag 1904
Giacomo Puccini: Madama Butterfly. Deckblatt des Librettos, Ricordi-Verlag 1904 © gemeinfrei

Zuvor musste die Idee aber noch mehrere Monate reifen, ehe sich Puccini mit diesem Stoff an seinen Verleger Ricordi wandte. Als Librettisten konnte er seine beiden Stammschreiber Giuseppe Giacosa und Luigi Illica verpflichten, die auch schon für „La Bohème“ und „Tosca“ die jeweiligen Texte verfasst hatten. Im September 1901 schließlich wurde die Genehmigung für die Vertonung des Belasco-Dramas erteilt.

Weder Schaffenskrisen noch ein schwerer Autounfall (Puccini war eines der frühesten bekannten Opfer eines Autounfalls) hielten ihn von seiner Arbeit ab: Am 27. Dezember 1903 war die Oper fertig. Die Uraufführung fand am 17. Februar 1904 am Mailänder Teatro alla Scala statt – und wurde zum größten Misserfolg für den Italiener. Puccini zog die Partitur noch am selben Tag zurück und sagte die geplante Aufführung in Rom ab.

Später Erfolg

Ob sich dieses Debakel auf den nur wenige Wochen zuvor ausgebrochenen russisch-japanischen Krieg zurückführen lässt oder vielleicht sogar auf eine persönliche Intrige gegen den Komponisten, ist unklar. Puccini begann jedenfalls direkt nach der Uraufführung, die Oper zu überarbeiten. Die zweite Fassung, uraufgeführt am 28. Mai 1904 in Brescia, war ein absoluter Erfolg, der den anschließenden internationalen Siegeszug der Oper begründete. Weitere Überarbeitungen folgten – meist immer dann, wenn Puccini selbst bei den Aufführungsproben anwesend war.

Wie kaum ein anderes Werk behandelt „Madama Butterfly“ die Konflikte zwischen den beiden Kulturen. Puccini verstand es wie kein Zweiter, diese Konflikte musikalisch subtil zu gestalten und gleichzeitig Mitleid für die naive Titelheldin zu erregen. Erst den vielen Überarbeitungen ist es zu verdanken, dass sich das Werk auf die bedauernswerte Figur der Butterfly konzentriert, die der Oper ihre unfehlbare Wirkung verleiht.

Mathias Husmann beschreibt die Handlung in seinen „Präludien fürs Publikum“ folgendermaßen: „Der amerikanische Marineoffizier Pinkerton hat sich Cho-Cho-San, eine junge Japanerin, zwecks Heirat vermitteln lassen – für die Zeit seiner Stationierung, später, zuhause soll es dann eine ,richtige‘ Amerikanerin sein. Der Konsul warnt ihn […] Drei Jahre später, Pinkerton ist wieder in den Staaten, ein kleiner Junge spielt auf der Terrasse. Vergeblich sucht der Konsul, Butterfly darauf vorzubereiten, dass Pinkerton wiederkommt – mit seiner amerikanischen Frau Kate. Butterfly schmückt mit ihrer Dienerin Suzuki das Haus für den Empfang mit Blumen und Zweigen, dann stellt sie sich ans nächtliche Fenster, späht nach dem einlaufenden Kriegsschiff und wartet… Am nächsten Morgen wartet sie immer noch. Kate Pinkerton erscheint, sie möchte das Kind adoptieren. Butterfly stimmt zu, sie soll es abholen ,in einer halben Stunde‘…“ Cio-Cio-San begreift, dass sie nur benutzt wurde: „Ehrenvoll sterbe, wer nicht länger mehr leben kann in Ehren“. So lautet die Inschrift auf dem Dolch ihres Vaters.

Die wichtigsten Fakten zu Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“:

Besetzung: Cio-Cio-San, genannt „Butterfly“ (Sopran); Suzuki, Butterflys Dienerin (Mezzosopran); Kate Pinkerton (Mezzosopran); Benjamin Franklin Pinkerton (in einigen Fassungen Sir Francis Blummy), amerikanischer Marineleutnant (Tenor); Sharpless, amerikanischer Konsul in Nagasaki (Bariton); Goro, Nakodo [Heiratsvermittler] (Tenor); Fürst Yamadori (Tenor); Onkel Bonze (Bass); Onkel Yakusidé (Bass); kaiserlicher Kommissar (Bass); Standesbeamter (Bass); Cio-Cio-Sans Mutter (Mezzosopran), ihre Tante (Sopran), ihre Cousine (Sopran); ein Kind (Knabensopran, nur in der Urfassung); Dolore (Kind); ein Koch; ein Diener; zwei Laternenträger; zwei Bonzen (stumme Rollen); Verwandte, Freunde und Freundinnen Cio-Cio-Sans; Diener; Matrosen (Chor, Statisten)

Orchesterbesetzung: Drei Flöten (3. auch Piccolo), zwei Oboen, Englischhorn, zwei Klarinetten, Bassklarinette, zwei Fagotte, vier Hörner, drei Trompeten, drei Posaunen, Bassposaune, Pauken, große Trommel, kleine Trommel, Becken, Triangel, Tamtam, japanisches Tamtam, Glockenspiel, japanisches Glockenspiel (oder Vibrafon), Glocken, Harfe Streicher, Bühnenmusik

Aufführungsdauer: ca. 2 ½ Stunden

Uraufführung: Die zweiaktige Erstfassung der Oper wurde am 17. Februar 1904 am Teatro alla Scala uraufgeführt. Die zweite Fassung wurde am 28. Mai 1904 in Brescia uraufgeführt

Referenzeinspielung

2008 wurde Puccinis 150. Geburtstag gefeiert. Das war auch der Anlass für diese Gesamtaufnahme, zu der sich im Juli 2008 Angela Gheorghiu, Jonas Kaufmann und Dirigent Antonio Pappano in der römischen Accademia Nazionale di Santa Cecilia trafen. Angela Gheorghiu überzeugt in der Rolle als Cio-Cio-San, in die sie eine unglaublich delikate und sinnliche Melange aus Zartheit und Zerbrechlichkeit legt. Jonas Kaufmann hingegen verkörpert den amerikanischen Marineoffizier Pinkerton voller Energie und Frische, er vollbringt erstaunliche Kraftakte und verliert dabei stimmlich zu keiner Zeit die Fassung. Opernspezialist Antonio Pappano lässt das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia prächtig schwelgen und lodern.

Album Cover für Madama Butterfly

Madama Butterfly

Angela Gheorghiu, Jonas Kaufmann, Enkelejda Shkosa, Orchestra e Coro dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Antonio Pappano (Leitung)
Warner Classics

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Präduldien

Japanische Tragödie (UA Milano 1904) Im Orchester ein wildes Fugato – wie eine drohende Grimasse, auf der Bühne ein kleines Haus mit beweglichen Wänden und Terrasse auf einem Berg oberhalb des Hafens – ein lächelndes Idyll. Etwas paßt nicht zusammen, Unheil liegt in der Luft. Ist es der Name der Stadt, der uns erschreckt, wenn wir gewärtigen, daß die Liebesgeschichte zwischen dem U.S. amerikanischen Marineleutnant B.F. Pinkerton und der japanischen Geisha Cho-Cho-San, genannt Butterfly, in Nagasaki spielt? Das 20.te Jahrhundert hat eben erst begonnen, aber es hat eben schon begonnen… Pinkerton hat sich eine junge Japanerin zwecks Heirat vermitteln lassen – für die Zeit seiner Stationierung, später, zuhause soll es dann eine „richtige“ Amerikanerin sein. Der Konsul warnt ihn. Die Braut erscheint mit ihren Verwandten und Freundinnen. Der Bonze stört die Hochzeit: er verflucht Cho-Cho-San, weil sie zum Glauben des Bräutigams übergetreten sei. Pinkerton wirft alle hinaus. Butterfly bereitet ihm eine berauschende Hochzeitsnacht. Drei Jahre später, Pinkerton ist wieder in den Staaten, ein kleiner Junge spielt auf der Terrasse. Vergeblich sucht der Konsul, Butterfly – Mrs. B.F. Pinkerton darauf vorzubereiten, daß Pinkerton wiederkommt – mit seiner amerikanischen Frau. Butterfly schmückt mit ihrer Dienerin Suzuki das Haus für den Empfang mit Blumen und Zweigen, dann stellt sie sich ans nächtliche Fenster, späht nach dem einlaufenden Kriegsschiff und wartet… Am nächsten Morgen wartet sie immer noch. Kate Pinkerton erscheint, sie möchte das Kind adoptieren. Butterfly stimmt zu, er soll es abholen „in einer halben Stunde“… Puccini führt westliche Harmonik und östliche Pentatonik kraft seiner Italianita geschickt zusammen. Musikalische Höhepunkte: – das Herannahen der Hochzeitsgesellschaft, – das Hochzeits-Duett – sehr erotisch, dabei immer mit dem Fluch des Bonzen im Hintergrund, – das Blumen-Duett Butterfly/Suzuki, wenn beide das Haus schmücken, – das große Zwischenspiel des Wartens (mit Chorstimmen und Viola d’amore), – der Abschied Butterflys von ihrem Kind und ihr Harakiri. Der Tenor Helmut Meutsch sagte, er verließe als Pinkerton das Theater immer durch einen Nebenausgang. Aller Herzen schlagen für die kleine Cho-Cho-San, die in unerschütterlicher Liebe zu einer großen, leidensstarken Frau wird – ihr mußte in Puccinis Werk irgendwann die hassende, rächende, männermordende Turandot folgen… (Mathias Husmann)
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