Puccini: Tosca
Zu Beginn des Jahres 1900 wurden die Zuschauer der Uraufführung von Puccinis „Tosca“ Zeugen der Geburtsstunde von einer der erfolgreichsten Opern der Geschichte.
© gemeinfrei

Deckblatt des Librettos zu "Tosca", 1889
Die Figur der Tosca wäre ohne Sarah Bernhardt und Maria Callas nicht annähernd so berühmt wie sie heute ist. Als Hauptdarstellerin des Dramas von Victorien Sardou wurde Bernhardt in ganz Europa gefeiert – innerhalb von zwanzig Jahren soll sie an die 3.000 Mal jene tragische Sängerin gespielt haben, die am Chaos und an der Unmenschlichkeit im Rom des 2. Koalitionskriegs zugrunde geht.
© Félix Nadar/gemeinfrei

Während Sarah Bernhardt die Schauspiel-Tosca seit der Uraufführung gab, blickte Maria Callas bereits auf eine Reihe prominenter wie umjubelter Vorgängerinnen, als sie in den frühen fünfziger Jahren erstmals die Titelpartie der Puccini-Oper übernahm, wobei „spielte“ der treffendere Ausdruck ist, stand doch die darstellerische Tiefe ihrer Rolle der sensationellen musikalischen Interpretation in nichts nach. 32-mal verkörperte sie Tosca – allein die Rollen der Norma, Violetta und Lucia sang sie öfter.
Tosca: Libretto als Zankapfel
Die Gründe, warum „Tosca“ seit der Uraufführung bis zum heutigen Tage zu den meistgespielten Opern gehört, sind mannigfach. Es fängt schon bei der Uraufführung an sich an, passte doch das antiklerikale Sujet des Werks ideal zum weitgehend antiklerikal eingestellten Publikum. Außerdem gilt das Libretto bis heute als eines der besten seiner Art, auch wenn die Zusammenarbeit am Text alles andere als harmonisch verlief: Neben den „offiziellen“ Librettisten Giuseppe Giacosa und Luigi Illica wirkten auch noch Puccini, Ricordi und Sardou höchstselbst meinungsstark und konfliktfreudig mit, mehrmals drohte das Projekt dadurch auseinanderzufallen.
Sturz von der Engelsburg
Am Ende jedoch wurde die Uraufführung Anfang 1900 ein großer Erfolg: Ein Maler, der seinen politisch verfolgten Freund auch unter Folter nicht verrät, eine Frau, die aus Liebe und Treue zur Mörderin des Peinigers ihres Geliebten wird, dazu noch das allgemeine Aufbegehren gegen eine gewalttätige Obrigkeit – das war genau der Stoff, den das Publikum damals wollte. Allein die Tatsache, dass alle vier eben genannten Figuren auf der Opernbühne das Zeitliche segnen (Tosca selbst stürzt sich am Ende effektreich von der Engelsburg in Rom in den Tod), brachte der Oper den nicht ganz unberechtigten Vorwurf einer recht drastisch dargestellten Brutalität ein.
© Jutta Missbach

Vielleicht liegt aber genau darin der Grund, weshalb „Tosca“ nie von den Spielplänen verschwand, steht doch die Oper „als Fanal über dem beginnenden 20. Jahrhunderts“, wie Mathias Husmann in seinen „99 Präludien fürs Publikum“ erläutert: „Schikane gegen Kunst und Künstler, politische Verfolgungen, Folter, willkürliche Hinrichtungen, Faschismus, Kriege…“ – was in „Tosca“ thematisiert wird, begleitete die Menschheit das gesamte 20. Jahrhundert über.
Die wichtigsten Fakten zu Giacomo Puccinis „Tosca“:
Besetzung: Floria Tosca, Opernsängerin (Sopran), Mario Cavaradossi, Maler (Tenor), Baron Scarpia, Polizeichef (Bariton), Spoletta, Gendarm (Tenor), Sciarrone, Gendarm (Bass), Cesare Angelotti, politischer Gefangener (Bass), Mesner (Bass), Schließer (Bass), Ein Hirtenknabe (Knabensopran)
Orchesterbesetzung: 3 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Bassposaune, Pauken, Große Trommel, Becken, Triangel, Violinen, Bratschen, Celli, Kontrabässe, Carillon, Harfe, Celesta, Glocken, Bühnenmusik, Kanone
Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden
Die Uraufführung fand am 14. Januar 1900 statt
Referenzeinspielung
Diese Tosca von 1953 gehört ohne Zweifel zu den bekanntesten Opernaufnahmen überhaupt. An der Seite von Maria Callas als Tosca ist Tito Gobbis Darstellung des Scarpia die Blaupause schlechthin für einen Opernschurken, während Giuseppe di Stefano kongenial Toscas Geliebten Cavaradossi gibt. Auch wenn man der Aufnahme anhört, dass sie bereits mehr als sechzig Jahre alt ist, sucht sie nach wie vor hinsichtlich der außerordentlichen Musikalität des Orchesters und der bestechenden Präsenz der Sänger ihresgleichen.
Puccini: Tosca
Natalya Romaniw (Floria Tosca), Marcelo Puente (Mario Cavaradossi), Andrzej Dobber (Baron Scarpia), Han Kim (Cesare Angelotti), David Minseok Kang (Sagrestano), Peter Galliard (Spoletta), Liam James Karai (Sciarrone), Paolo Arrivabeni (Leitung), Robert Carsen (Regie)
Puccini: Tosca
Margarita Vilsone (Tosca), Michael Ha (Mario Cavaradossi), Grga Peroš (Baron Scarpia), Clarke Ruth (Cesare Angelotti), Tomi Wendt/Johann Kalvelage (Mesner), Andreas Schüller (Leitung), Martin Andersson (Regie)
Puccini: Tosca
Margarita Vilsone (Tosca), Michael Ha (Mario Cavaradossi), Grga Peroš (Baron Scarpia), Clarke Ruth (Cesare Angelotti), Tomi Wendt/Johann Kalvelage (Mesner), Andreas Schüller (Leitung), Martin Andersson (Regie)
Puccini: Tosca
Natalya Romaniw (Floria Tosca), Marcelo Puente (Mario Cavaradossi), Andrzej Dobber (Baron Scarpia), Han Kim (Cesare Angelotti), David Minseok Kang (Sagrestano), Peter Galliard (Spoletta), Liam James Karai (Sciarrone), Paolo Arrivabeni (Leitung), Robert Carsen (Regie)
Puccini: Tosca
Arminia Friebe/Diana Lamar (Tosca), Thorsten Büttner (Mario Cavaradossi), Roman Ialcic (Baron Scarpia), Marc Kugel (Cesare Angelotti), Karsten Schröter (Mesner), Kenny Ferreira (Spoletta), Carsten Emmerich (Sciarrone), Jochem Hochstenbach (Leitung), Jean-Claude Berutti (Regie)
Puccini: Tosca
Saioa Hernández (Tosca), Jonathan Tetelman (Mario Cavaradossi), Roman Burdenko (Scarpia), Samuel Dale Johnson (Angelotti), Padraic Rowan (Der Mesner), Donald Runnicles (Leitung), Boleslaw Barlog (Regie)
Puccini: Tosca
Saioa Hernández (Tosca), Jonathan Tetelman (Mario Cavaradossi), Roman Burdenko (Scarpia), Samuel Dale Johnson (Angelotti), Padraic Rowan (Der Mesner), Donald Runnicles (Leitung), Boleslaw Barlog (Regie)
Puccini: Tosca
Margarita Vilsone (Tosca), Michael Ha (Mario Cavaradossi), Grga Peroš (Baron Scarpia), Clarke Ruth (Cesare Angelotti), Tomi Wendt/Johann Kalvelage (Mesner), Andreas Schüller (Leitung), Martin Andersson (Regie)
Puccini: Tosca
Margarita Vilsone (Tosca), Michael Ha (Mario Cavaradossi), Grga Peroš (Baron Scarpia), Clarke Ruth (Cesare Angelotti), Tomi Wendt/Johann Kalvelage (Mesner), Andreas Schüller (Leitung), Martin Andersson (Regie)
Puccini: Tosca
Makiko Eguchi (Leitung), Inken Rahardt (Regie)
Opern-Kritik: Opéra National de Lorraine – Tosca
Der Schlächter und der Kardinal
(Nancy, 22.6.2022) Dank ihrer Mischung aus Fantasie, Handwerk und musikalischem… weiter
Opern-Kritik: Dutch National Opera – Tosca
Wenn die Hölle singt
(Amsterdam, 18.4.2022) Meisterregisseur Barrie Kosky kann Verdi, Wagner und Tschaikowsky… weiter
OPERN-KRITIK: Gerhart-Hauptmann-Theater - TOSCA
Beglückende Ambition
(Görlitz, 22.2.2020) Puccinis Verismo-Schocker bleibt zwar szenisch blass, das Mehrspartenhaus… weiter
Opern-Kritik: Opéra de Lyon – Tosca
Auf dem Altar ihrer Kunst
(Lyon, 20.1.2020) Die amerikanische Diva Catherine Malfitano steht noch einmal… weiter
OPERN-KRITIK: TEATRO ALLA SCALA - TOSCA
Kino ohne Kamera
(Mailand, 7.12.2019) Anna Netrebko triumphiert zur Saisoneröffnung der Scala in… weiter
Staatstheater Hannover: Puccini „Tosca“
Wenn alle Täter zugleich auch Opfer sind
Vasily Barkhatov inszeniert unter der Leitung von Kevin John Edusei… weiter
Verlosung Schlossfestspiele Schwerin
Gewinnen Sie Karten für „Tosca“
concerti verlost 3x2 Karten für Giacomo Puccinis Meisterwerk „Tosca“ am… weiter
Live im Kino: Puccinis „Tosca“ aus London
Spannend wie ein Thriller
Am 7. Februar wird Puccinis Oper „Tosca“ um 20:15 Uhr… weiter
Nachrichten
Heute starten die Osterfestspiele Baden-Baden
Die Osterfestspiele in Baden-Baden eröffnen mit einer Neuinszenierung von Puccinis… weiter
Opern-Kritik: Theater Lübeck – Tosca
Und es spritzte das Blut
(Lübeck, 18.11.2016) Regisseur Tilman Knabe und GMD Ryusuke Numajiri nehmen… weiter
Opern-Kritik: Festival Pucciniano – Tosca
Primadonna der Passion im Chaos der Provinzpolitik
(Torre del Lago, 24.7.2015) Starsopranistin Daniela Dessì rettet das krisengebeult… weiter
Opern-Kritik: Staatsoper Berlin – Tosca
Stummfilm und Stehtheater
(Berlin, 3.10.2014) Trotz großer Namen tuckert Puccinis Opern-Schocker blutleer über… weiter
DVD-Rezension Antonio Pappano: Puccinis Tosca
Vorsicht: Hochspannung!
Antonio Pappano entfacht am Pult seines glänzenden Orchesters ein fulminantes… weiter
Drei brutale Akkorde: zwei tief, sich harmonisch spreizend – wie jemand sich breitbeinig in Pose stellt, der dritte hoch, grell und lang – wie ein böses Lachen. Mussolini? Göring? Nein: Baron Scarpia, der korrupte, lüsterne Chef der römischen Staatspolizei zur Zeit der Napoleonischen Kriege.
Jemand stürzt atemlos in die Andreaskirche, sucht und findet den Schlüssel zu einer Seitenkapelle. Ein Mesner schlendert mit Eßkorb und Malutensilien herbei – für den Maler Mario Cavaradossi, der an einem Porträt der Maria Magdalena arbeitet. Der Mesner ist empört: die Heilige sieht ja aus wie jene Frau, die jüngst vor der Seitenkapelle betete…
…Verhängnisvoller Leichtsinn des Malers! Scarpia erkennt die Züge auf dem Porträt: es ist die Schwester des flüchtigen Angelotti. Er läßt Cavaradossi verhaften und im Palazzo Farnese in Anwesenheit von seiner Geliebten, der berühmten Sängerin Floria Tosca, foltern. Tosca will Cavaradossi freikaufen, Scarpia fordert sie als Preis. Das Todesurteil wird in eine Scheinerschießung umgewandelt, sie selbst darf es ihm im Gefängnis mitteilen. Als Scarpia sich Tosca wollüstig nähert, ersticht sie ihn. Im Morgengrauen besucht Tosca Cavaradossi auf der Engelsburg und schärft ihm ein, bei den Gewehrsalven theatralisch hinzufallen. Als die Soldaten abgezogen sind, ruft sie ihm zu, aufzustehen – er rührt sich nicht. Tosca springt von der Mauer der Engelsburg.
Höhepunkte: das Tedeum mit Orgel und Glocken in der Kirche, während sich Scarpia in sexuellen Fantasien ergeht…
Die schmerzhafte Phrase der Violinen, als Tosca den Dolch auf Scarpias Schreibtisch erblickt und erkennt, daß ihr keine Wahl bleibt…
Das ergreifende Klarinettensolo, wenn Cavaradossis Leben in seiner letzten Stunde sich zu einer einzigen bittersüßen Erinnerung zusammenzieht: als Tosca ihm zum erstenmal im Arm lag…
Die mystischen nahen und fernen Glocken des erwachenden Rom…
Und schließlich: der faszinierend – scheußliche Marsch unter dem Erschießungsritual!
Als legendär gilt die Darstellung der Tosca durch Maria Callas – aber jede Sängerin wächst in dieser Partie über sich hinaus.
Tosca steht als Fanal über dem beginnenden 20.ten Jahrhundert: Schikane gegen Kunst und Künstler, politische Verfolgungen, Folter, willkürliche Hinrichtungen, Faschismus, Kriege…die Premiere mußte wegen einer Bombendrohung unterbrochen werden – mitten in der wunderbaren Arie des Malers, vor seinem Gemälde stehend, über die Augen der Frauen…
(Mathias Husmann)