Porträt Elsa Dreisig

Bereit zum Risiko

Fachgrenzen interessieren Elsa Dreisig nicht. Auch das macht sie zu einer der derzeit spannendsten Nachwuchssängerinnen.

© Simon Fowler/Parlophone Records Ltd

Elsa Dreisig

Elsa Dreisig

Ihr Sopran flutet die Elbphilharmonie. Nur eben gar nicht mit gigantischen dramatischen Tonwellen, sondern mit den exzellent projizierten, klug verdichteten Tonfäden, in die sie alles einspinnt: szenische Fantasie, intime Gestaltungsdetails, vokale Vorstellungskraft, somit jene Magie, die besondere Stimmen eben verströmen. „Tricky“ nannte Sir Simon Rattle, der das Konzert mit Elsa Dreisig in Hamburg dirigiert, die Akustik des Hohen Hauses. „Es ist doch ganz einfach“, scheint ihm nun die Französin mit Berliner Hauptwohnsitz zuzusingen, als die beiden in der Elbphilharmonie Beethovens Oratorium „Christus am Ölberge“ aufführen. Wuchtige Wagnerstimmen haben es schwer in der Akustikzicke, gut gebaute lyrische Stimmen setzen sich besser durch.

Elsa Dreisig nennt eine solche lyrische Sopranstimme ihr Eigen, die aber nicht nur den sanften Schimmer der Kopfstimmenresonanzen ausstrahlt. Sondern auch eine obertonsatte Leuchtkraft, die der Operalia-Gewinnerin Sphären eröffnet, die einer Sängerin von Mozarts Pamina gewöhnlich verschlossen bleiben. „Ich bin kein Fan von Fachgrenzen“, outet sich Dreisig. „Mir ist natürlich bewusst, dass jede Stimme ihre Besonderheiten hat. Es ist unsere Pflicht, diese zu respektieren. Ich finde aber, dass viele ‚Abkürzungen‘ gemacht werden, sobald vom Fach die Rede ist. Das Fach wird nämlich oft mit der Farbe der Stimme verwechselt, und die Farbe ist mitunter das Ergebnis einer Fälschung. Was für mich zählt, das ist, zuerst feststellen zu können, wo die Stimme am besten klingt und am bequemsten sitzt. Mit diesen Hinweisen kann man dann das Repertoire aufbauen, das man bevorzugen möchte.“

Elsa Dreisig: „Ich kann mir gut vorstellen, bei meiner ersten Salome noch jung zu sein“

An ihrem Stammhaus wagt sie sich nun erstmals an die Fiordiligi in Mozarts „Così fan tutte“. Für die Partie steht eigentlich ein jugendlich-dramatischer Sopran in den Opernführern. Doch Zweifel am Gelingen dieser Grenzüberschreitung an der Staatsoper Unter den Linden hat niemand. „Ich konzentriere mich lieber auf meine Technik und höre auf meine innere Stimme, wenn es darum geht, eine Rolle auszuwählen. So fühle ich mich in der Lage, sowohl Mozart- als auch Strauss-Partien, Massenets Manon, große Partien des italienischen Belcanto oder gar die Traviata zu singen. Mich interessiert eine vorgegebene Zuordnung nicht. Eine Rolle ist für mich eine Werkstatt, eine Art Leinwand, auf die ich male, und so mache ich Fortschritte. Fiordiligi ist eine lyrische Partie mit tiefen Noten, dort liegen ganz genau meine Stärken! Und die Musik dazu ist einfach traumhaft.“

Elsa Dreisig in Goethes „Faust III“ an der Staatsoper Unter den Linden

Auf ihrer neuen CD hat Dreisig auch den Schlussgesang der Salome aufgenommen – mit fantastischem Erfolg. „Ob ich meine erste Salome mit 30 oder 40 singe, wird daran nichts ändern, dass diese Rolle Teil meiner künstlerischen Entwicklung ist. Ich kann mir gut vorstellen, bei meiner ersten Salome noch jung zu sein. Ich würde dann schauen, wie sie sich anfühlt, weiterarbeiten und die nächste, ältere Salome aufbauen. Warum sollten wir darauf warten, bis wir die Referenzversion liefern können? Ich mag den Gedanken, dass Picasso blaue und rosa Phasen erleben musste, um zum Kubismus zu kommen.“ Die Sopranistin hat in der Tat nicht nur die Imagination für die Figur dieser Johannes den Täufer einen Kopf kürzer machen lassenden Tochter der Herodias. Sie hat auch die Intensität für diese Partie, ohne dass sie dazu ihre lyrisch grundierte Stimme aufblasen oder abdunkeln müsste. „Heutzutage wird eine sehr runde Stimme mit einem breiten Vibrato mit dem dramatischen Repertoire verknüpft“, erklärt Elsa Dreisig. „Große Sängerinnen von gestern wie Rosa Ponselle oder Maria Callas haben ihre Stimme nie ‚vergrößert‘ und sangen trotzdem ein Repertoire, das heute als dramatisch betrachtet wird. Ein ziemlich kompliziertes Thema also!“

Elsa Dreisig singt „Ah! je ris de me voir si belle“:

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Album-Tipp

Morgen

Werke von R. Strauss, Duparc & Rachmaninow
Elsa Dreisig (Sopran)
Jonathan Ware (Klavier)
Erato

Termine

Samstag, 16.12.2023 19:00 Uhr Residenz München

Mozart: Idomeneo (konzertant)

Andrew Staples (Idomeneo), Magdalena Kožená (Idamante), Elsa Dreisig (Elettra), Sabine Devieilhe (Ilia), Linard Vrielink (Arbace & Oberpriester des Neptun), Tareq Nazmi (Stimme des Orakels), Chor des Bayerischen Rundfunks, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Simon Rattle (Leitung)

Sonntag, 17.12.2023 19:00 Uhr Residenz München

Mozart: Idomeneo (konzertant)

Andrew Staples (Idomeneo), Magdalena Kožená (Idamante), Elsa Dreisig (Elettra), Sabine Devieilhe (Ilia), Linard Vrielink (Arbace & Oberpriester des Neptun), Tareq Nazmi (Stimme des Orakels), Chor des Bayerischen Rundfunks, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Simon Rattle (Leitung)

Dienstag, 19.12.2023 19:00 Uhr Residenz München

Mozart: Idomeneo (konzertant)

Andrew Staples (Idomeneo), Magdalena Kožená (Idamante), Elsa Dreisig (Elettra), Sabine Devieilhe (Ilia), Linard Vrielink (Arbace & Oberpriester des Neptun), Tareq Nazmi (Stimme des Orakels), Chor des Bayerischen Rundfunks, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Simon Rattle (Leitung)

Samstag, 30.03.2024 18:00 Uhr Bayerische Staatsoper

Puccini: Il trittico

Mané Galoyan (Suor Angelica), Lise Davidsen (Giorgetta), Tanja Ariane Baumgartner (La zia pricipessa), Wolfgang Koch (Michele & Gianni Schicchi), Yonghoon Lee (Luigi), Elsa Dreisig (Lauretta), Robert Jindra (Leitung), Lotte de Beer (Regie)

Montag, 01.04.2024 17:00 Uhr Bayerische Staatsoper

Puccini: Il trittico

Mané Galoyan (Suor Angelica), Lise Davidsen (Giorgetta), Tanja Ariane Baumgartner (La zia pricipessa), Wolfgang Koch (Michele & Gianni Schicchi), Yonghoon Lee (Luigi), Elsa Dreisig (Lauretta), Robert Jindra (Leitung), Lotte de Beer (Regie)

Samstag, 06.04.2024 19:00 Uhr Bayerische Staatsoper

Puccini: Il trittico

Mané Galoyan (Suor Angelica), Lise Davidsen (Giorgetta), Tanja Ariane Baumgartner (La zia pricipessa), Wolfgang Koch (Michele & Gianni Schicchi), Yonghoon Lee (Luigi), Elsa Dreisig (Lauretta), Robert Jindra (Leitung), Lotte de Beer (Regie)

Montag, 08.04.2024 19:00 Uhr Bayerische Staatsoper

Puccini: Il trittico

Mané Galoyan (Suor Angelica), Lise Davidsen (Giorgetta), Tanja Ariane Baumgartner (La zia pricipessa), Wolfgang Koch (Michele & Gianni Schicchi), Yonghoon Lee (Luigi), Elsa Dreisig (Lauretta), Robert Jindra (Leitung), Lotte de Beer (Regie)

Rezensionen

Rezension Elsa Dreisig – Werke von Rita Strohl

Bereichernde Entdeckungen

Rita Strohl hat um 1900 wundervolle Lieder komponiert. Diese und ein Melodram der Französin sind auf einem gelungenen Doppelalbum mit Elsa Dreisig erschienen. weiter

Rezension Marc Minkowski – Mozart: Mitridate Re di Ponto

Frühreifer Mozart

Unter Marc Minkowski zeigen Stimmen wie die von Michael Spyres, Elsa Dreisig und Sabine Devieilhe, dass Mozart 1774 schon auf dem besten Weg zu den Charakteren seiner späteren Opern war. weiter

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