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Musikstadt Leipzig: Mendelssohn-Festtage 2021

Dem Meister verpflichtet

Leipzig gibt den Mendelssohn-Festtagen endlich wieder Gewicht.

vonRoland H. Dippel,

Der Gründer des Leipziger Konservatoriums war noch mehr als Bach, Wagner sowie viele andere Weltbürger und Wahlleipziger die universelle Musikerpersönlichkeit der Messe- und Universitätsstadt. Nur in der Oper kam Felix Mendelssohn nicht zum Zug. Aber das lag weniger am Desinteresse des Publikums denn an der Skepsis und Selbstkritik des gebürtigen Hamburgers mit der musikalischen Bilderbuch-Karriere. Mendelssohn, Pionier der romantischen Bach-Renaissance, Sinfoniker, Orgel-, Oratorien- und anspruchsvoller Salonkomponist, konnte nach seiner Verfemung im radikalen Antisemitismus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts trotz intensiven Einsatzes von Interpreten und Musikwissenschaft nicht mehr ganz die Höhe seiner früheren Popularität zurückgewinnen. Die auch deshalb wichtigen Leipziger Energien für den Gewand­hauskapellmeister Mendelssohn sind eine Synthese von internationalem Spitzen­niveau und selbstbewusster bürgerlicher Musikpflege.

Insofern hat es eine symbolische Berechtigung, wenn das Gewandhaus und die Mendelssohn-Stiftung als Veranstalter der ersten Mendelssohn-Festtage in der Festspiellandschaft der Musikstadt Leipzig acht Monate vor dem gigantischen „Wagner22“-Projekt kooperieren. Nicht nur ein Musiksalon mit Rolando Villazón, ein Konzert zur Todesstunde mit Martina Gedeck und Elena Bashkirova, Präsidentin der Mendelssohn-Stiftung, und ein Konzert mit Igor Levit erheben die Mendelssohn-Festtage ähnlich der Salzburger Mozartwoche zu einer exklusiven wie innigen Hommage. So erhalten die von Herbert Blomstedt inaugurierten, aber von 2018 bis 2020 ausgesetzten und in dieser Zeit als Schwerpunkt in das Bachfest implantierten Mendelssohn-Festtage endlich wieder das angemessene, vor allem auch solitäre Gewicht.

Kurt Masur setzte sich 1997 mit den anlässlich der Wiedereröffnung des Mendelssohn-Hauses veranstalteten Gewandhaus-Festtagen für den Schöpfer der „Sommernachtstraum“-Schauspielmusik, des „Märchens von der schönen Melusine“ und der „Ersten Walpurgisnacht“ ein. Andris Nelsons hatte 2018 bei seinem Antrittskonzert als Gewandhauskapellmeister Mendelssohns „Schottische Sinfonie“ mit Werken von Alban Berg und Steffen Schleiermacher kombiniert. So machte er unmissverständlich klar, dass Mendelssohn für ihn eine der innovativen und progressiven Musikerköpfe des 19. Jahrhunderts ist. Am 7. November gibt es unter der Leitung von Nelsons eine hochkarätig besetzte Aufführung des Oratoriums „Elias“ mit Julian Prégardien, Andrè Schuen, Golda Schultz, dem Gewandhausorchester und dem MDR-Rundfunkchor.

Ölporträt Felix Mendelssohn Bartholdys, gemalt 1846 von Eduard Magnus
Ölporträt Felix Mendelssohn Bartholdys, gemalt 1846 von Eduard Magnus

Brückenschlag zu anderen Komponisten

Das Mendelssohn-Spektrum ist in den Herbsttagen 2021 um das lange Reformationsfest-­Wochenende, zu dem in Leipzig auch der mit mehreren Veranstaltungen gefeierte Todestag Mendelssohns am 4. November gehört, also besonders groß. Es beinhaltet eine Orgelstunde mit Gewandhausorganist Michael Schönheit, Kammermusik mit dem Geiger Andreas Buschatz und dem Pianisten Boris Kusnezow und ein Konzert des GewandhausJugendchors mit weltlicher Chormusik Mendelssohns. Die Konzerte schlagen Brücken zu Johannes Brahms, Robert Schumann und Gideon Klein. Das Orchester der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ spielt Thorsten Encke, Brahms, Prokofjew. Sowohl im Gewandhaus wie im Mendelssohn-Haus gibt es Intimes mit prominenten Namen.

Als das Hauptportal der Thomaskirche in Erinnerung an seinen 200. Geburtstag 2008 nach Mendelssohn benannt wurde, rühmte der damalige Gemeindepfarrer Christian Wolff den Komponisten, Dirigenten und Bach-Anhänger: „Ohne ihn dürften wir uns heute gar nicht Musikstadt nennen.“ Dieser Bedeutung fühlen sich die Mendelssohn-Festtage verpflichtet – für Gäste, Einheimische und Studierende.

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