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Highlights der Saison 2022/2023 – Südwest

Im Ländle wird gebaut

Götz Thieme, Redakteur bei der Stuttgarter Zeitung, stellt seine persönlichen Highlights der kommenden Saison im Südwesten vor.

vonGötz Thieme,

Zuletzt wurden die Württembergischen Staatstheater 2016 zum „Opernhaus des Jahres“ ausgezeichnet – Viktor Schoner, seit 2018 Intendant der Opernabteilung des größten Dreispartenhauses Europas, versucht, daran anzuknüpfen. Visitenkarte eines deutschen Hauses ist immer Wagners „Ring“. Wie Klaus Zehelein überantwortet Schoner ihn verschiedenen Regie-Teams. Das ging ordentlich schief, als er bei der „Walküre“ drei Ausstatter pro Akt engagierte. In der Saison 2022/23 setzt er bei der Fortführung auf eine sichere Bank. Jossi Wieler und Sergio Morabito werden ihren „Siegfried“ von 1999 aufpolieren. Marco Štorman verantwortet danach die „Götterdämmerung“ – eine vielversprechende Position, denn die beste Inszenierung während Schoners Intendanz bislang lieferte er bei Adams’ „Nixon in China“. Stuttgarts Generalmusikdirektor Cornelius Meister steht bei Wagner am Pult, gerade ist er in Bayreuth im „Ring“ eingesprungen. Zwei weitere Termine sollten vorgemerkt werden: Bachs „Johannes-Passion“ in einer szenischen Fassung von Ulrich Rasche, der Schauspielregisseur ist für seine monumentalen Bühnenbauten und sein Körpertheater bekannt, sowie zum Schluss der Saison Olivier Messiaens Opern-Oratorium „Saint François d’Assise“: Erster und letzter Akt werden im Littmannbau gespielt, dazwischen begeben sich Künstler und Publikum auf Pilgerreise durch den Stadtraum … Na, dann festes Schuhwerk einplanen!

Mögen sich Parkett und Ränge bald wieder füllen: Staatsoper Stuttgart
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Neuer Wind in Karlsruhe

Lange fällig ist die Sanierung, Modernisierung und Erweiterung der Stuttgarter Spielstätte – eines der wenigen deutschen Opernhäuser, das den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hat. Obgleich in der CDU-Fraktion des Landtags wegen der prognostizierten Kosten gemosert wird, haben Stadt und Land jetzt endlich mit der Gründung einer gemeinsamen Projektgesellschaft Fakten geschaffen. Da sind sie in Karlsruhe, beim zweiten Staatstheater des Landes, weiter. Der Plan steht, Architekten sind beauftragt und in diesem Herbst beginnen erste Baumaßnahmen. Nach Machtmissbrauch, Sexismusskandalen und einem gefeuerten Intendanten gibt es kurz vor Redaktionsschluss eine gute Nachricht: Von 2024 an übernimmt Christian Firmbach aus Oldenburg kommend die Leitung des Hauses. Der Interimsintendant Ulrich Peters geht derweil auf Nummer sicher, setzt aufs Kernrepertoire: „Fliegender Holländer“, „Carmen“, „Wozzeck“, „Rusalka“ und „La Bohème“.

Auch das Nationaltheater in Mannheim muss saniert werden, Gerhard Webers gelungener, 1957 eingeweihter Bau ist in die Jahre gekommen. Vier Jahre sind dafür veranschlagt, von diesem Herbst an geht es in Ausweichspielstätten, unter anderem in Ludwigshafen und Schwetzingen. Zum Auftakt gastiert man im Oktober mit der Neuproduktion von Wagners „Ring des Nibelungen“ (Regie: Yona Kim) in Daegu, Südkorea. Im Dezember wird die neue Spielstätte der Oper am Luisenpark (OPAL) mit einem spartenübergreifenden Abend zwischen Gesang, Sprache und Performance eröffnet, Titel „Créations“; Konzept und Regie liegen in der Hand von Lorenzo ­Fioroni. Weitere Saisonpläne werden im September präsentiert, am besten dann die Webseite konsultieren.

Beim Premierenreigen des Theaters Ulm sollte man sich unbedingt zwei Termine vormerken. Im Dezember gibt es die Welturaufführung der Oper „La légende de Tristan“ des vor allem als Organisten bekannten französischen Komponisten Charles Tournemire. Sie wurde 1926 fertiggestellt, doch es kam nie zu einer Aufführung. Im Mai 2023 findet eine Rarität auf die Ulmer Bühne, Händels Zauberoper „Amadigi di Gaula“.

Neuer Generalmusikdirektor des Theaters Freiburg: André de Ridder
Neuer Generalmusikdirektor des Theaters Freiburg: André de Ridder

Feministische Akzente

Am Theater Freiburg gibt es einen musikalischen Neubeginn. Nach vierzehn Jahren wechselt ­Fabrice Bollon als Chefdirigent zur Staatskapelle Halle, wird zugleich musikalischer Oberleiter der Oper Halle. Sein Nachfolger André de Ridder leitet drei Premieren: „Wozzeck“ (Regie: Marco Štor­man), „Il ritorno d‘Ulisse in patria“ und die deutsche Erstaufführung von Muhlys Oper „Marnie“ nach dem gleichnamigen Film von Hitchcock. Der Intendant Peter Carp, der in der Saison einen „deutlich feministischen Akzent“ im Spielplan setzen möchte, inszeniert selbst.

Die Opernsparte des Theaters Saarbrücken hat seit Antritt des Generalintendanten Bodo Busse 2017 erheblich gewonnen. Qualität und Kontinuität auch im Graben: Der Vertrag mit dem GMD Sébastien Rouland wurde gerade bis 2026 verlängert, und Justus Thorau ist ein exzellenter Erster Kapellmeister. Nach zwei Jahren durch die Pandemie bedingte Verzögerung kommt zur Spielzeiteröffnung das „Rheingold“ auf die Bühne, Auftakt zum „Ring“ des Duos Alexandra Szemerédy/Magdolna Parditka. Die beiden verantworten wie gewohnt gemeinsam Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme. Außerdem vielversprechend die Ankündigung der Uraufführung „Ophelia“, eine Oper in zwölf Bildern von Sarah Nemtsov nach William Shakespeare (Text von Mirko Bonné). Die Berlinerin ist gegenwärtig eine der gefragtesten Komponistinnen im Musiktheater.

Im Ländle geliebt: Dirigent Teodor Currentzis
Im Ländle geliebt: Dirigent Teodor Currentzis

Ach ja, da gibt es im Südwesten noch das Festspielhaus in Baden-Baden. Das hat zunächst bei den Herbstfestspielen konzertante Opernaufführungen im Angebot. Thomas Hengelbrock dirigiert Pietro Mascagnis Reißer „Cavalleria rusticana“, die historische Perspektive verbürgen der Balthasar-Neumann-Chor und das Balthasar-Neumann-Ensemble. An zwei Abenden im November dirigiert Teodor Currentzis erstmals Richard Wagners „Tristan und Isolde“. Auch hier wird das klangliche Ergebnis bestimmt aufmerken lassen, denn das Ensemble music­Aeterna orientiert sich an der Aufführungspraxis der Entstehungszeit. Der diesjährige Bayreuther Siegfried Andreas Schager singt den Tristan, Brigitte Christensen Isolde, Eve-Maud Hubeaux Brangäne und Matthias Goerne gibt den betrogenen König Marke. Für die Osterfestspiele 2023 haben sich die Berliner Philharmoniker und Kirill Petrenko Richard Strauss’ „Frau ohne Schatten“ vorgenommen. „Ganz. Große. Oper.“, wie es albern auf dem Webauftritt heißt. Bislang war das Festspielhaus nicht für spannende Inszenierungen bekannt – vielleicht gelingt der Regisseurin Lydia Steier diesmal etwas szenisch Bemerkenswertes an der Oos.

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