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Klassik-Highlights der Saison 2025/2026 in Sachsen, Thüringen & Sachsen-Anhalt

Solidarität mit den Kleinen!

concerti-Autor Christian Schmidt stellt seine persönlichen Höhepunkte der kommenden Saison in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt vor.

vonChristian Schmidt,

Am 15. Oktober ist es genau 80 Jahre her, dass im vogtländischen Plauen das Theater als eines der ersten in Deutschland nach Kriegsende wieder eröffnet werden konnte – trotz schwerer Schäden. Heute erstrahlt das Vogtlandtheater äußerlich längst wieder in neuem Glanz. Ob es seine Qualität trotz 22 Premieren halten kann, steht auf einem anderen Blatt. Anders als in den Nachbarländern Thüringen und Sachsen-Anhalt, die ihre reiche Kulturlandschaft erst mal gesichert haben, lässt der sächsische Freistaat seine nicht minder vielfältigen Theater mit ihren – auch dank der von der Bühnenvereinigung zu Anfang Februar ausgehandelten Mindestgagen – immensen Kostensteigerungen und Einsparzwängen ziemlich im Stich.

Erst im Mai hatte Plauens Intendant Dirk Löschner verkündet, dass drei große Produktionen der neuen Spielzeit gestrichen würden und sein künstlerisches Personal lieber anderswo nach beruflicher Sicherheit sucht. Drei Wochen später demonstrierten Kulturschaffende aller Couleur vor dem Dresdner Landtag für den Erhalt besonders der kleineren Theater, aber sie konnten nicht verhindern, dass wegen des geschrumpften Landesetats trotz jahrelangem Personalabbau an sechs Standorten mindestens Spartenschließungen oder gar Insolvenzen drohen – je nachdem, wie sich die klammen Kommunen in der Lage sehen, ihre vor etwa 150 Jahren von ihrer Bürgerschaft eingeforderten Provinztheater zu halten.

Dabei haben sich allüberall die Zuschauerzahlen seit Corona wieder erholt, es werden zweistellige Zuwachsraten gemeldet. Gerade in den kleineren Städten steht die Bevölkerung durchaus treuer hinter ihrer Kultur als anderswo. Schließlich bieten noch die kleinsten Konzerte und Kinderstücke hier am ehesten einen zentralen Ort des gesellschaftlichen Zusammenhalts, auf den sich alle einigen können. Teilweise kostet der Transfer per Theaterbus mehr als die Eintrittskarte. Am Programm kann es also nicht liegen, denn das ist in ganz Mitteldeutschland vor allem an den kleineren Häusern das, worauf man sich auch in der kommenden Saison besonders freuen darf.

Kombinieren Brahms' Sinfonien mit Werken von Strawinsky bis Glanert: Meininger Hofkapelle und GMD Killian Farrell
Kombinieren Brahms‘ Sinfonien mit Werken von Strawinsky bis Glanert: Meininger Hofkapelle und GMD Killian Farrell

Preziosen und publikumsträchtige Neuproduktionen

Dass angesichts der immensen Zwänge gerade die kleineren Theater auf bewährte Kassenschlager setzen, kann man ihnen kaum verdenken. Zwischen Mozarts Evergreens und ewiggültigen Operettenmärchen von der guten alten Zeit kämpfen sie mit publikumsträchtigen Neuproduktionen gegen die Totengräberstimmung. Aber der scheidende Görlitzer Intendant Daniel Morgenroth zum Beispiel, der in den vergangenen Jahren öffentlich am lautesten gegen den kulturellen Kahlschlag protestierte und sogar die Namensrechte seines Gerhart-Hauptmann-Theaters verkaufen wollte, setzte trotzdem neben Verdis „Nabucco“ auch Janáčeks „Ausflüge des Herrn Brouček“ auf den Premierenplan und lässt seine Neue Lausitzer Philharmonie unter der Überschrift „Fremdheit – Neugierde – Offenheit“ durchaus völlig unbekannte Werke spielen.

Überhaupt leisten sich alle, auch kleinere Theater neben dem Bühnenspielplan quer durchs Land Sinfoniekonzerte mit ihren Hausorchestern, die in Dessau, Erfurt oder Magdeburg spannende Dinge zu Tage fördern. Bei der Meininger Hofkapelle setzt der Ire Killian Farrell in seiner nunmehr dritten Saison als Generalmusikdirektor Wagners „Ring“ mit dem „Rheingold“ fort und wagt sich wiederholt an Rares wie Hindemiths „Cardillac“ oder Tom Johnsons „Riemannoper“, die in der vergangenen Spielzeit erfolgreich 150 Kilometer weiter östlich in Altenburg Premiere hatte und dort auch weiter auf dem Spielplan steht. In der Konzertsaison feiert Farrell mit einem sinfonischen Gesamtzyklus nicht nur Johannes Brahms, dem hier wegen seiner ersten Sporen ein biennales Festival gewidmet ist, sondern flambiert diese Kassenreißer mit Werken von Detlev Glanert, György Ligeti und Igor Strawinsky.

Gibt im April 2026 den Auftakt zu einer umfassenden Würdigung Albert Lortzings in Leipzig: Michael Nündel
Gibt im April 2026 den Auftakt zu einer umfassenden Würdigung Albert Lortzings in Leipzig: Michael Nündel

Uraufführungsreigen und Lortzing-Jubiläum

Dagegen holt das Deutsche Nationaltheater Korngolds „Tote Stadt“ nach Weimar, testet Magdeburg Schönbergs wirklich schwieriges Melodram „Pierrot lunaire“ auf der Kammerbühne und holt sogar Alfred Schnittkes „Leben mit einem Idioten“ aus der Senke der Vergessenheit. Man könnte noch viele Experimente anführen, die von Erfurts Verne-Adaption „In 80 Tagen um die Welt“ von Jonathan Dove bis zu Franz Schrekers „Spielwerk“ in Halle reichen. Sie verdienen unsere Solidarität!

Bleiben die großen Häuser, die sich eher zurückhalten mit großen Überraschungen: Mag in Dresden die „Snow Queen“ des Dänen Hans Abrahamsen verlockend sein, sind es in Leipzig gleich mehrere Lortzing-Premieren im Jahr seines 225. Geburtstages. Aber es gibt in den Großstädten immerhin einen Uraufführungsreigen, den Chemnitz mit Ludger Vollmers „Rummelplatz“ unter der Leitung des neuen Generalmusikdirektors Benjamin Reiners noch im September lostritt. Die Konzertkalender der in Dresden und Leipzig beheimateten Weltorchester bieten dagegen weitgehend eher Solidität, wenngleich natürlich auf höchstem Niveau. Und wem das alles nicht reicht, der möge die zahllosen Festivals besuchen, die Landschaft und Kultur in Einklang zu bringen bemüht sind.

Wer wollte da noch jammern? Nur hingehen muss man. Das ist das beste Mittel gegen Sparwut.











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