Das Schöne am klassischen Konzert- und Opernbetrieb ist doch, dass er so voller Überraschungen steckt. Denn selbst wenn die Spielpläne feststehen, Werke und Interpreten weithin bekannt sind, weiß man nie so ganz, was einen am Ende wirklich erwartet. Da können vielversprechende Spektakel mit Starbesetzung plötzlich zum Fiasko werden, und kleine, unscheinbare Provinzprojekte vermitteln plötzlich Kulturgenüsse auf Weltniveau. Ob ein Highlight wirklich ein Highlight ist, weiß man also zumeist erst hinterher. Dennoch lohnt es sich natürlich, Ausschau zu halten, vor allem in Niedersachsen und Bremen, wo sich Klassiker, Raritäten und mutige Neuproduktionen die Klinke in die Hand geben.

NDR Radiophilharmonie feiert 75 Jahre
Gespannt darf man etwa nach Hannover blicken, denn hier herrscht in der Saison 2025/2026 euphorische Feierlaune: Die NDR Radiophilharmonie, 1950 als „Orchester des Senders Hannover“ gegründet, wird stolze 75 Jahre alt und nimmt sich die gesamte Spielzeit lang Zeit, um dieses Jubiläum gebührend zu feiern. Zum Auftakt gibt es – wie könnte es anders sein – Beethovens Neunte, ergänzt durch eine Uraufführung des Komponisten Johannes X. Schachtner. Klanglich unterstützt wird die NDR Radiophilharmonie dabei vom NDR Vokalensemble und dem WDR Rundfunkchor. Das berühmte Baritonsolo „O Freunde, nicht diese Töne!“ singt übrigens Matthias Goerne, der das Orchester als Artist in Residence begleitet und des Öfteren in Hannover zu sehen sein wird. So etwa auch beim spektakulären Schumann-Tschaikowsky-Festival, das im Februar/März 2026 erstmals stattfinden wird – mit zahlreichen renommierten Gästen wie Pierre-Laurent Aimard, Truls Mørk oder Paavo Järvi.

Kontrastreiche Spielzeiten von Hannover bis Braunschweig
Aufbruchstimmung herrscht derweil an der Staatsoper Hannover, die mit Bodo Busse als Nachfolger von Laura Berman nun unter neuer Intendanz steht. Mit Neuinszenierungen von „Lohengrin“, „Don Giovanni“ und „Turandot“ hält man sich hier zunächst an sichere Kanon-Klassiker, bevor es dann in der zweiten Spielzeithälfte mit Pascal Dusapins zeitgenössischer Kleist-Oper „Penthesilea“, Korngolds „Die tote Stadt“ und Verdis „Der Troubadour“ ans Eingemachte geht.
Das Staatstheater Braunschweig trumpft mit einer durch und durch kontrastreichen Spielzeit auf: Alban Bergs expressionistischer Albtraum „Wozzeck“ – der übrigens auch in Oldenburg eine Neuproduktion erlebt, dort allerdings zum Saisonabschluss – trifft auf die federleichte Operettenwelt der „Fledermaus“, gefolgt von der Düsternis aus Brittens „Peter Grimes“. Leuchtender Bellini-Belcanto in „I Capuleti e i Montecchi“ geht wiederum der abschließenden Premiere der in jüngster Zeit recht erfolgreichen modernen Oper „Innocence“ von Kaija Saariaho voraus. Regie führt hier die Braunschweiger Generalintendantin Dagmar Schlingmann.

Publikumslieblinge, Raritäten und Progressives auf der Bühne
Den zweihundertsten Geburtstag von Johann Strauss nachzufeiern schickt man sich am Hildesheimer Theater für Niedersachsen mit der Wiederbelebung eines selten gehörten Werks des Jubilars an: „Die Göttin der Vernunft“ steht auf dem Programm – eine Operette, die politischen Sprengstoff aus der Revolutionszeit mit Walzerseligkeit mischt. Darüber hinaus setzt man mit Verdis „Rigoletto“ und Mozarts „Zauberflöte“ in Hildesheim auf Publikumslieblinge, bevor das progressive Projekt „Harvey Milk Reimagined“ Impulse zur Diversität im Musiktheater wagt.
Wer darüber hinaus echte Musiktheater-Raritäten sucht, sollte nach Bremen fahren, wo das Theater zum Laboratorium der Grenzgänger mutiert. Hier dominieren Werke – „Die Zauberflöte“ und „Madama Butterfly“ ausgenommen – die sich nicht einordnen lassen wollen.„Der feurige Engel“ von Prokofjew stürzt sich in psychotische Abgründe, Dämonie trifft auf Erotik, Wahnsinn auf Glaubenswahn. Die kontrastierende Doppelproduktion „Dido and Aeneas / Erwartung“ verbindet Frühbarock mit dem Expressionismus Schönbergs – und zeigt, wie nah Ekstase und Einsamkeit beieinanderliegen können. „Sissy“, Fritz Kreislers gewiefte Annäherung an die Österreichische Kaiserin entpuppt sich als humorvolles, trickreiches Abenteuer, irgendwo zwischen Komödie, Salonstück und sentimentaler Operette.

Klassikstars in der Bremer Glocke
Auch in der Bremer Glocke ist einiges los; viel Brahms ist zu hören, große Namen wie Lang Lang, Beatrice Rana oder Víkingur Ólafsson sind zu Gast. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen empfängt den RIAS Kammerchor mit einem hochspannenden Vokalprogramm. Und spätestens zum alljährlichen Musikfest, das derzeit schon auf Hochtouren läuft gehen die Klassikstars in der Hansestadt an der Weser nur so ein und aus.
Apropos Festivals: In der vergangenen Saison verzeichneten große niedersächsischen Vertreter wie die Internationalen Göttinger Händel-Festspiele einen deutlichen Anstieg der Publikumszahlen, auch bei den ostfriesischen Gezeitenkonzerte wurden Besucherrekorde gebrochen. Das stimmt positiv. Man darf gespannt sein, was die kommende Spielzeit bringt, wenn etwa die Musikwoche Hitzacker ihr vierzigjähriges Bestehen unter dem Motto „Geheime Botschaften“ feiert. Vielleicht sind die Highlights diesmal ja doch vorprogrammiert.
Termintipp
Fr., 12. September 2025 20:00 Uhr
Konzert
Nadja Mchantaf, Wiebke Lehmkuhl, Matthew Swensen, Matthias Goerne, WDR Rundfunkchor, NDR Vokalensemble, NDR Radiophilharmonie, Stanislav Kochanovsky
Schachtner: Artefakt (UA), Beethoven: Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125
Termintipp
So., 14. September 2025 18:00 Uhr
Premiere
Musiktheater
Puccini: Madama Butterfly
Angela Jiyoung Shin (Cio I), Sarah-Jane Brandon (Cio II), Brigitte Hahn (San III), Nathalie Mittelbach (Suzuki), Oliver Sewell (Pinkerton), Michał Partyka (Sharpless), Sasha Yankevych (Leitung), Ulrike Schwab (Regie)
Sa., 20. September 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
Wagner: Lohengrin
Xavier Moreno (Otello), Alexey Zelekov (Jago), Jonathan Winell (Cassio), Michał Prószyński (Rodrigo), Daniel Eggert (Lodovico), Cristiana Oliveira (Desdemona), Masaru Kumakura (Leitung), Immo Karaman (Regie)
So., 21. September 2025 17:00 Uhr
Musiktheater
Wagner: Lohengrin
Maximilian Schmitt (Lohengrin), Shavleg Armasi (Heinrich der Vogler), Viktorija Kaminskaite (Elsa von Brabant), Grga Peroš (Friedrich von Telramund), Ewa Vesin (Ortrud), Stephan Zilias (Leitung), Richard Brunel (Regie)
Termintipp
So., 21. September 2025 18:00 Uhr
Musiktheater
Puccini: Madama Butterfly
Angela Jiyoung Shin (Cio I), Sarah-Jane Brandon (Cio II), Brigitte Hahn (San III), Nathalie Mittelbach (Suzuki), Oliver Sewell (Pinkerton), Michał Partyka (Sharpless), Sasha Yankevych (Leitung), Ulrike Schwab (Regie)
Termintipp
Mi., 24. September 2025 19:30 Uhr
Konzert
Beatrice Rana, Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Riccardo Minasi
Weber: Ouvertüre zu „Der Freischütz“, Beethoven: Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37, Brahms: Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98
Termintipp
Mi., 01. Oktober 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
Mozart: Die Zauberflöte
Tobias Hieronimi (Sarastro), Leilei Xie (Tamino), Marie Sofie Jacob (Königin der Nacht), Gabrielė Jocaitė (Pamina), Eddie Mofokeng (Papageno), Zahra Sebnat (Papagena), Julian Rohde (Monostatos), Florian Ziemen (Leitung), Christian von Götz (Regie)
Fr., 03. Oktober 2025 17:00 Uhr
Musiktheater
Wagner: Lohengrin
Maximilian Schmitt (Lohengrin), Shavleg Armasi (Heinrich der Vogler), Viktorija Kaminskaite (Elsa von Brabant), Grga Peroš (Friedrich von Telramund), Ewa Vesin (Ortrud), Stephan Zilias (Leitung), Richard Brunel (Regie)
Termintipp
So., 05. Oktober 2025 15:30 Uhr
Musiktheater
Puccini: Madama Butterfly
Angela Jiyoung Shin (Cio I), Sarah-Jane Brandon (Cio II), Brigitte Hahn (San III), Nathalie Mittelbach (Suzuki), Oliver Sewell (Pinkerton), Michał Partyka (Sharpless), Sasha Yankevych (Leitung), Ulrike Schwab (Regie)
Termintipp
Sa., 11. Oktober 2025 19:00 Uhr
Musiktheater
Puccini: Madama Butterfly
Angela Jiyoung Shin (Cio I), Sarah-Jane Brandon (Cio II), Brigitte Hahn (San III), Nathalie Mittelbach (Suzuki), Oliver Sewell (Pinkerton), Michał Partyka (Sharpless), Sasha Yankevych (Leitung), Ulrike Schwab (Regie)