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Klassik-Highlights der Saison 2025/2026 in Hamburg & Norddeutschland

Wo Fragen sich in Klang verwandeln

concerti-Textchef Sören Ingwersen stellt seine persönlichen Höhepunkte der kommenden Saison in Hamburg und Norddeutschland vor.

vonSören Ingwersen,

Nichts ist der Kunst unzuträglicher als die Routine. Kunst sollte Fragen stellen. Fragen, die die Gesellschaft betreffen, aber auch sie selbst, ihre Ausdrucksformen, ihre Relevanz in einer Welt, die sich schneller denn je verändert. Der Beginn einer neuen Konzert- und Opernsaison ist ein guter Zeitpunkt, für einen aus neuen Fragestellungen gewonnen Perspektivwechsel, zumal wenn an einem großen Haus wie der Staatsoper Hamburg eine neue Führungsriege antritt.

Präsentiert als neuer Generalmusikdirektor dem Hamburger Publikum in der nächsten Saison ein ambitioniertes Programm: Omer Meir Wellber
Präsentiert als neuer Generalmusikdirektor dem Hamburger Publikum in der nächsten Saison ein ambitioniertes Programm: Omer Meir Wellber

Maßangefertigtes Musiktheater an der Staatsoper Hamburg

Der frisch gebackene Intendant Tobias Kratzer möchte in seiner ersten Spielzeit die Spielwiese des Operngenres neu vermessen. Statt auf Konfektionsware von der Stange setzt der 44-Jährige auf Maßanfertigung – und legt dabei ausgiebig selbst Hand an. Mit Ausnahme von Rossinis „Il barbiere di Siviglia“ bergen alle Premieren der Saison hohes Überraschungspotenzial. Als erstes inszeniert Kratzer Robert Schumanns weltliches Oratorium „Das Paradies und die Peri“, während am Pult der Staatsoper der neue Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber seinen Einstand gibt. „Monster’s Paradise“ lautet der Titel der Politgroteske der Komponistin Olga Neuwirth und der Schriftstellerin Elfriede Jelinek, die ebenfalls in Kratzers Regiehandschrift ihre Uraufführung feiert. Im April wird der Opernchef dann unter dem Titel „Frauenliebe und -sterben“ drei Meisterwerke an einem Abend inszenatorisch auf die Bühne heben: Robert Schumanns Acht Lieder für Singstimme und Klavier op. 42, Béla Bartóks „Herzog Blaubart Burg“ und Alexander von Zemlinskys „Eine florentinische Tragödie“. Und auch die Kinderoper „Die Gänsemagd“ der deutsch-niederländischen Komponistin Iris ter Schiphorst erklärt Kratzer zur Chefsache, indem er selbst auf dem Regiestuhl sitzt.

Freuen darf man sich zudem auf Michail Glinkas selten aufgeführte Märchenoper „Ruslan und Ljudmila“, eine Neubefragung von Mozarts Musik für eine entferne, zukünftige Welt („Die große Stille“), Christoph Marthalers Musiktheater „Die Unruhenden“ mit Musik von Gustav Mahler sowie ein Projekt, das unter dem Titel „Stockhausen für Kinder: Michaels Reise“ dem jungen Publikum die nicht immer leicht verdaulichen Klänge Avantgarde näherbringt.

Dirigiert am Theater Kiel Puccinis „Il trittico“: GMD Gabriel Feltz
Dirigiert am Theater Kiel Puccinis „Il trittico“: GMD Gabriel Feltz

Drei Opern auf einen Streich und Musicals im Überfluss

Am Opernhaus Kiel gibt es mit Puccinis Triptychon „Il trittico“ gleich drei Premieren an einem Abend. Selten werden die drei Kurzopern „Il tabarro“, „Suor Angelica“ und „Gianni Schicchi“ – wie ursprünglich vom Komponisten intendiert – zusammen aufgeführt. Das Erfolgsmusical „La Cage aux Folles“ dürfte für gute Laune sorgen, während Wagners „Tannhäuser“, Donizettis „Der Liebestrank“, Verdis „Die Macht des Schicksals“ und Mozarts „Idomeneo“ den Kanon im klassischen Repertoire abdecken. Zum 80. Todestag von Anne Frank erinnert überdies Grigori Frids hochexpressive Mono-Oper „Das Tagebuch der Anne Frank“ an die Greul des Nationalsozialismus.

Am Theater Lübeck wandert man indes fröhlich durch die Jahrhunderte und lässt Meilensteine der Gattung Oper von Monteverdis „Die Krönung der Poppea“ und Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ über Richard Strauss’ „Der Rosenkavalier“ und Alban Bergs „Wozzeck“ bis zu Bernsteins Operette „Candide“ Revue passieren. Auch das Mecklenburgische Staatstheater in Schwerin lockt mit Monteverdis „Poppea“, wird darüber hinaus mit der Strauss-Operette „Die Fledermaus“, dem vergnüglichen Mörder-Musical „Sweeney Todd“ sowie Weills „Dreigroschenoper“ aber eher von der leichteren Muse geküsst. Am Rostocker Volkstheater gönnt man sich eine „Madama Butterfly“ und einen „Don Giovanni“, bevor mit „Anatevka“, „The Black Rider“, „Tschick“ und „The Addams Family“ fleißig das Musical-Genre bedient wird.

Kommen mit Bruckners achten Sinfonie in die Elbphilharmonie: Klaus Mäkelä und das Royal Concertgebouw Orchestra aus Amsterdam
Kommen mit Bruckners achten Sinfonie in die Elbphilharmonie: Klaus Mäkelä und das Royal Concertgebouw Orchestra aus Amsterdam

Neue Hörweisen und internationale Spitzenorchester

Um auch im Konzert gar nicht erst Routine-Gefühle aufkommen zu lassen, lohnt indes erneut der Blick nach Hamburg, denn das Angebot in Elbphilharmonie und Laeiszhalle kann sich in vielerlei Hinsicht hören lassen. So eröffnet der neue Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber seine Amtszeit mit Beethoven drittem Klavierkonzert (Solist: Stephen Hough) und Bruckners siebter Sinfonie im Großen Saal der Elbphilharmonie. Vier Wochen später kann man den Maestro zudem an Akkordeon und Cembalo erleben, wenn „Die vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi denen des Tangokönigs Astor Piazzollas gegenübergestellt werden.

Das NDR Elbphilharmonie Orchester hat zur Opening Night den US-amerikanischen Pianisten Kirill Gerstein eingeladen, um den starken Stimmungsschwankungen in Rachmaninows Paganini-Rhapsodie nachzuspüren. Große Orchester reisen an, etwa die Wiener Philharmoniker, das London Symphony Orchestra, das Gewandhausorchester, die Münchner Philharmoniker, das Royal Concertgebouw Orchestra und aus dem hohen Norden das Helsinki Philharmonic Orchestra und das Oslo Philharmonic.

Experte für Alte Musik aus seiner katalanischen Heimat: Dirigent Jordi Savall
Experte für Alte Musik aus seiner katalanischen Heimat: Dirigent Jordi Savall

Alte Musik aus Spanien und mystische Klänge aus Estland

Und auch Liebhaber der Alten Musik kommen auf ihre Kosten: So lässt der Monteverdi-Chor Hamburg im 70. Jahr seiner Gründung die Oper „L’Orfeo“ seines Namengebers konzertant aufleben, der 84-jährige katalanische Dirigent Jordi Savall reist mit seinem Ensemble Hespèrion XXI und dem Vokalensemble La Cappella Reial de Catalunya an, die Accademia Bizantina und Ottavio Dantone polieren Bachs Cembalokonzerte auf, und das Köthener BachCollektiv gastiert erstmals außerhalb der kleinen Bachstadt in Sachsen-Anhalt.

Nicht zuletzt wird im Oktober auch der 90. Geburtstag Arvo Pärts mit vier Konzerten im Großen Saal der Elbphilharmonie gefeiert. Es erklingen die Orgel-, Orchester-, Instrumental- und Chorwerke des estnischen Komponisten, der ebenfalls sein Leben lang Fragen stellte – und Antworten in der mystischen Versenkung suchte.











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