Tief im Westen, singt Herbert Grönemeyer über seine Heimatstadt Bochum, ist es ja besser, als man glaubt. Und während da angeblich die Sonne verstaubt, fördert die Spielzeit 2025/26 Hörens- und Sehenswertes in ganz Nordrhein-Westfalen zu Tage. Natürlich glänzt das einwohnerreichste Bundesland mit kulturellen Höhepunkten jeglicher Couleur.
In Duisburg schaut man zum Beispiel auf einen – ebenfalls sehr stark bevölkerten – Kontinent, der sich akustisch selten auf Konzertpodien wiederfindet: Indien. Innerhalb des „Eigenzeit-Festivals”, das Musik von Heute vorstellt, ermöglicht die Kuratorin Kamalini Mukherji viele musikalische Begegnungen mit Stars ihrer Heimat. Auch sonst ist in und aus Duisburg einiges zu hören: Avi Avital bringt frischen Saitenwind ins Repertoire der Philharmoniker – und die Erwartung auf den Neustart im nächsten Jahr mit Stefan Blunier als GMD steigt.
Die Philharmonie Essen und die Alte Synagoge dort haben ein Festival mit jüdischer Kultur initiiert, das sich ab Mitte September durch die gesamte Spielzeit zieht. Beim spartenübergreifenden „Tikwah”-Festival sind noch viele weitere Akteure engagiert wie das Schauspiel Essen, das Aalto Musiktheater, Folkwang, Klezmer Welten Gelsenkirchen, die Lichtburg Essen und das Politische Forum Ruhr.

Im Westen reichlich Neue(s)
Das personelle Karussell in Nordrhein-Westfalen kommt ordentlich in Schwung, dort begrüßt man gleich mehrere neue Generalmusikdirektoren. Während das WDR Sinfonieorchester noch ein Jahr auf Marie Jacquot als neue Chefdirigentin warten muss, startet in Hagen, Bielefeld und Dortmund eine neue Ära. Nicht Hermes Helfricht, der lieber nach Erfurt wollte, sondern Sebastian Lang-Lessing startet am Theater Hagen, in Bielefeld übernimmt Robin Davis den Posten des Generalmusikdirektors der Bühnen und des Orchesters Bielefeld, und in Dortmund gesellt sich zu Jourdan de Souza als Chef der Philharmoniker gleich noch eine neue Ballett-Führung. Jaš Otrin aus Slowenien führt die Tanzsparte zusammen mit Annabelle Lopez Ochoa und Edward Clug in ein neues Zeitalter. In Bochum selbst heißt es, Abschied nehmen: Tung-Chieh Chuang verabschiedet sich mit dieser Spielzeit von den Bochumer Symphonikern, die Entscheidung für die Nachfolge bleibt spannend.

Es gibt immer etwas zu feiern!
In Bonn startet die Spielzeit mit dem Beethovenfest und Anastasia Kobekina als charismatische Residenzkünstlerin. Womit wir bei den Festival-Highlights wären, die es im Pott und in Westfalen reichlich gibt. Die dritte Ausgabe des Komponistinnen-Festivals her:voice findet im März 2026 in Essen statt und präsentiert wieder kuriose Lebensläufe und Musik von Frauen, die ihrer Passion nachgingen. Noch mehr Kurioses, z. B. ein Autohupen-Konzert, erwartet das Publikum beim NOW! Festival dortselbst. Das renommierte Alte-Musik-Ensemble Concerto Köln wird im Oktober 40 Jahre alt und feiert mit Star-Besetzung und Händels Dramma per musica „Flavio, Re de’ Longobardi“.

Wer kommt zu Besuch?
Viele Häuser und Orchester haben sich erstklassige Musiker als Fokus-, Residenzkünstler eingeladen. Lahav Shani ist zwar bestens bekannt in der Region, war er doch drei Jahre lang im Konzerthaus Dortmund stark präsent, nun ist er aber auch in Essen und in der Kölner Philharmonie als Porträtkünstler aktiv. Die Gastdirigate vom aufstrebenden finnischen Dirigenten Klaus Mäkelä in Köln und Essen im Winter 2026 sollte man sich ebenfalls nicht entgehen lassen. Das Konzerthaus Dortmund hat sich erneut für einen Dirigenten als Exklusivkünstler entschieden und arbeitet drei Jahre lang eng mit Tarmo Peltokoski zusammen, der bereits mit 25 Jahren zu den großen Talenten des Fachs zählt.
Außerdem lädt das Haus Anfang November zu einem Festival der Langsamkeit ein: Das SLOW-festival präsentiert zwei Tage und eine Nacht voller Musik, Stille und sinnlicher Erlebnisse mit hochkarätigen Konzerten bis hin zu Teezeremonien, einem Sandmandala buddhistischer Mönche und genussvollem Slow Food.
Isabelle Faust schmückt zudem mit ihrem charaktervollen Geigenspiel die Spielzeit des WDR. Das Vision String Quartet mischt die Tonhalle Düsseldorf auf. Thomas Adès dirigiert den Auftakt als Composer in Residence in der Kölner Philharmonie im Oktober selbst. Auch Elisabeth Leonskaja gibt sich in der Domstadt drei Mal die Ehre. Das Hagen Quartett ist auf Farewell-Tour und hat nach 45 Jahren seinen Abschied aus der „Lebensschule Streichquartett“ angekündigt. Sein vermutlich letztes Kölner Konzert findet am 29. November statt.

Das lang erwartete Feuerwerk in Köln
Klappt es diesmal? Angekündigt ist die Wiedereröffnung der Kölner Oper nach einer vieljährigen Renovierungsphase für diese Spielzeit mit Blick auf den Winter, aber ohne konkretes Datum. Auch wenn im Staatenhaus viel auf die Beine gestellt wird, dürfte der Umzug ins Haupthaus am Offenbachplatz eine große Dynamik entfalten. Dafür sorgt auch der neue Chef des Gürzenich-Orchesters Andrés Orozco-Estrada. Er startet mit Orffs „Carmina Burana“ in die Saison und schließt sie ebenso fulminant mit Korngolds Violinkonzert, gespielt von der jungen Spanierin María Dueñas.
Ganz tief im Westen, am Theater Aachen, fiebert man einer bemerkenswerten Uraufführung im Mai entgegen. Zum 100. Geburtstag der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann entwickeln Karola Obermüller, Peter Gilbert und Tina Hartmann eine musiktheatrale Adaption ihres Romans „Malina“, ein Auftragswerk des Theaters, das in letzter Zeit mit der Entfernung einer Karajan-Büste und politischen Statements ganz un-musikalische Schlagzeilen machte.
An der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf / Duisburg präsentiert man mit gleich zwei konzertanten Fassungen (Beethovens „Fidelio“ und Gounods „Königin von Saba“) die Oper als Fest der Stimmen. Auf Unterhaltung setzen dagegen andere Häuser. Zum Beispiel erlebt man am Musiktheater im Revier erneut die Cyber-Operette „Göttinen“ frei nach Jacques Offenbach, darf sich mit einer Monty-Python-Oratorien-Parodie aus dem Vorweihnachtsstress lachen oder genießt mit „Ubu Coucou“ ein Musiktheater mit Puppen. Während man an der Wupper mit „The Lodger“ der britischen Komponistin Phillis Tate das Horror-Genre bedient – es geht um Jack the Ripper –, widmet man sich in Detmold dem Lokalpatriotismus und überlässt die Bühne der Erfolgsgeschichte der heimischen Limonadenmarke Sinalco. Thomas Zaufke komponierte das Musical für das Landestheater mit dem einfachen und genialen Titel „Das Glück ist eine Orange“.
Termintipp
Fr., 22. August 2025 20:00 Uhr
Konzert
Janine Jansen, Concertgebouworkest, Klaus Mäkelä
Mozart: Sinfonie D-Dur KV 297 „Pariser“, Prokofjew: Violinkonzert Nr. 1 D-Dur op. 19, Bartók: Konzert für Orchester
Termintipp
So., 31. August 2025 16:00 Uhr
Konzert
Mozart: Die Zauberflöte (konzertant)
Mauro Peter (Tamino), Elsa Dreisig (Pamina), Kathryn Lewek (Königin der Nacht), Miriam Kutrowatz (Papagena), Äneas Humm (Papageno), Andreas Conrad (Monostatos), Manuel Winckhler (Sarastro), Chorwerk Ruhr, St. Florianer Sängerknaben, Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Tarmo Peltokoski (Leitung), Romain Gilbert (Regie)
Fr., 05. September 2025 20:00 Uhr
Konzert
Galakonzert
Frank Dupree Trio, Dortmunder Philharmoniker, Jordan de Souza (Leitung)
Termintipp
Sa., 06. September 2025 19:30 Uhr
Konzert
Anastasia Kobekina, Mahler Chamber Orchestra, Maxim Emelyanychev
Beethovenfest Bonn
Termintipp
So., 07. September 2025 11:00 Uhr
Konzert
Orff: Carmina Burana
Annija Adamsone (Sopran), Michael Schade (Tenor), Michael Nagy (Bariton), Bürgerchor Köln, Kammerchor der Universität zu Köln, Andrés Orozco-Estrada (Leitung)
So., 07. September 2025 11:00 Uhr
Kinder & Jugend
Prokofjew: Peter und der Wolf
Dortmunder Philharmoniker, Jordan de Souza (Leitung), Bodo Schulte (Puppenspiel), Nadja Karasjew (Rezitation)
So., 07. September 2025 19:00 Uhr
Konzert
Mitglieder des Ensembles der Oper Dortmund, Dortmunder Philharmoniker, Jordan de Souza
Werke von Mozart, Puccini u. a.
Mi., 10. September 2025 19:30 Uhr
Konzert
Beethoven: Fidelio (konzertant)
Jacquelyn Wagner (Leonore), John Matthew Myers (Florestan), Simon Neal (Don Pizarro), Hans-Peter König (Rocco), Lavinia Dames/Anna Sophia Theil (Marzelline), Riccardo Romeo/Henry Ross (Jaquino), Žilvinas Miškinis/Luke Stroker (Don Fernando), Chor der Deutschen Oper am Rhein, Duisburger Philharmoniker, Vitali Alekseenok/Harry Ogg (Leitung)
Do., 11. September 2025 19:30 Uhr
Konzert
Beethoven: Fidelio (konzertant)
Jacquelyn Wagner (Leonore), John Matthew Myers (Florestan), Simon Neal (Don Pizarro), Hans-Peter König (Rocco), Lavinia Dames/Anna Sophia Theil (Marzelline), Riccardo Romeo/Henry Ross (Jaquino), Žilvinas Miškinis/Luke Stroker (Don Fernando), Chor der Deutschen Oper am Rhein, Duisburger Philharmoniker, Vitali Alekseenok/Harry Ogg (Leitung)
Sa., 13. September 2025 18:00 Uhr
Konzert
Live WDR 3 – Public Viewing der BBC Last Night of The Proms
Bielefelder Philharmoniker, Robin Davis (Leitung)