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Klassik-Highlights der Saison 2025/2026 in Bayern

Existenzielle Vielfalt

concerti-Redakteur Jan-Hendrik Maier stellt seine persönlichen Höhepunkte der kommenden Saison in Bayern vor.

vonJan-Hendrik Maier,

Selten lassen sich die Kulturprogramme mehrerer Häuser in der gleichen Spielzeit unter einem Begriff zusammenfassen. In Bayern jedoch wird es 2025/2026 existenziell: In München deutet man das Wort philosophisch aus, während man sich in Regensburg auf die Verleihung eines lang ersehnten Titels freut, der Prestige einbringt und die Existenz auf finanziell komfortablere Beine stellt. In Bamberg und Bayreuth feiert man runde Jubiläen, in Nürnberg und Würzburg setzen neue Direktoren frische Impulse. Die programmatische Entdeckungsfreude kommt bei alldem nicht zu kurz.

Die Bayerische Staatsoper stellt ihre Saison unter das Licht von Jean-Paul Sartres Ausspruch „Der Mensch ist, wozu er sich macht“. Entsprechend loten die Premieren menschliches Handeln und Motivationen umfassend aus. Hans Werner Henzes Oper „Die englische Katze“ etwa fragt nach Konformität und Selbstbestimmung, Regisseur Barrie Kosky begibt sich mit Rimski-Korsakows „Die Nacht vor Weihnachten“ auf die Suche nach Glück, und der Australier Brett Dean öffnet in seinem jüngsten Stück „Of One Blood“ Deutungsräume für jahrhundertealte Konflikte, wenn Elisabeth I. auf Mary Stuart trifft.

Blick in Bayerns nächstes Staatstheater: Sieben Neuproduktion sind 2025/2026 in Regensburg zu erleben
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Ein sechstes Staatstheater für Bayern

Am Theater Regensburg stehen die Signale auf die Ernennung zum Staatstheater. Wann genau das Haus den Titel in dieser Spielzeit erhält, ist aber noch unklar. Finanziell müssen sich die Oberpfälzer jedenfalls bis 2027 gedulden. Erst dann soll Bayerns größtes kommunales Mehrspartenhaus zu fünfzig Prozent mit Geld aus München unterhalten werden. Haushaltsplanungen haben die vor zwei Jahren von Kunstminister Markus Blume angekündigte „Rekordgeschwindigkeit“ gedrosselt. Rekordverdächtig ist hingegen die Dichte an Erstaufführungen: Fünf von sieben Neuproduktionen kommen erstmals auf die Regensburger Bühne. Als europäische Erstlinge sind Paul Moravecs Vertonung des Stephen-King-Klassikers „The Shining“ sowie Laura Kaminskys Kammeroper „Lucidity“ über das Thema Demenz geplant.

In eine neue Ära startet wiederum das Mainfranken Theater Würzburg. Mark Rohde wechselt als Generalmusikdirektor von Schwerin nach Unterfranken und übernimmt gleich drei von fünf Premieren. Als Höhepunkt kündigt sich dabei der fast vergessene Einakter „Rosse“ des aus Würzburg stammenden Schönberg-Schülers Winfried Zillig an. Am Staatstheater Nürnberg präsentiert sich Richard Siegal als neuer Ballettchef und setzt u. a. seine Strawinsky-Betrachtung mit „Pulcinella“ fort.

Hat allen Grund zum Feiern: Das hier von Jörg Widmann geleitete Münchner Kammerorchester wird 75
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Feierlaune von Bad Kissingen bis München

Grund zum Feiern haben die Bamberger Symphoniker, die im März 2026 ihren 80. Geburtstag begehen und auf zehn Jahre mit Chefdirigent Jakub Hrůša blicken. Insgesamt fünfzig Komponisten stehen in dieser Saison auf dem Programm, Musiker aus den eigenen Reihen treten zudem solistisch auf. Auch beim Musikfest ION, dem Kissinger Sommer und dem Münchner Kammerorchester knallen 2026 die Jubiläumskorken. Beim Blick nach Oberfranken stechen die Bayreuther Festspiele hervor: Erstmals ist hier Wagners Frühwerk „Rienzi“ zu erleben. Ansonsten fällt die 150. Spielzeit auf dem Grünen Hügel kleiner aus als geplant. Das Budget ermöglicht sieben von ursprünglich elf geplanten Opern.

Mit großen Orchesterklängen warten das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Simon Rattle auf, die sich Mahlers zweite Sinfonie, Henzes epochales Oratorium „Das Floß der Medusa“, Strawinskys „Feuervogel“ und erstmalig Edward Elgars „The Dream of Gerontius“ vornehmen. Letzterer erklingt mit Andrew Manze auch bei den Münchner Philharmonikern, die ihre Saison mit „Entdeckungen“ überschreiben und auch, aber nicht nur, die Musik vier gegenwärtiger Komponistinnen – Jennifer Higdon, Anna Clyne, Gabriela Ortiz und Noriko Koide – in den Fokus rücken. Im Münchner Künstlerhaus laden Mitglieder des Orchesters zu Kammerkonzerten ein. Auf dem Programm stehen u. a. Raritäten aus England und selten gespielte Miniaturen des Repertoires. Das Münchner Rundfunkorchester verabschiedet sich am Saisonende von Chefdirigent Ivan Repušić und versammelt im Abschlusskonzert alle acht Artists in Residence seiner Amtszeit: von Sopranistin Marina Rebeka bis Trompeter Matthias Höfs.

Reist mit Prokofjews zweitem Violinkonzert im Gepäck in die Isarphilharmonie: Hilary Hahn
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Klassik-Stars kommen in den Freistaat

Neben den lokal ansässigen Ensembles geben sich freilich wieder internationale Klassik-Stars die Ehre im Freistaat. In der Isarphilharmonie haben sich etwa Hilary Hahn, Yefim Bronfman, Christian Thielemann und Martha Argerich angekündigt. Mit Zubin Mehta und Rudolf Buchbinder feiern im Sommer in München zwei Granden der Klassik ihren 90. bzw. 80. Geburtstag, und das Quatuor Ébène eröffnet im Prinzregententheater seinen auf zwei Spielzeiten angelegten Zyklus aller sechzehn Beethoven-Streichquartette. Die Staatsphilharmonie Nürnberg begrüßt ihre Ehrendirigentin Joana Mallwitz, die mit Mahlers neunter Sinfonie erstmals an ihre vormalige Wirkstätte zurückkehrt, sowie Fokuskünstler Maximilian Hornung. In Regensburg werden Harfenistin Anneleen Lenaerts und Cellistin Harriet Krijgh erwartet. Bayerns kulturaffinem Publikum steht eine facettenreiche Saison bevor.











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