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Highlights der Saison 2023/2024 – Berlin & Brandenburg

Qual der Wahl

concerti-Autor Ecki Ramón Weber stellt seine persönlichen Highlights der kommenden Saison vor.

vonEcki Ramón Weber,

Wie jedes Jahr stellt einen das geballte Berliner Saisonprogramm vor die Qual der Wahl – und Brandenburg lockt auch noch. Schöpfen wir also aus dem Vollen: Zu Beginn der neuen Spielzeit sind die spannendsten Musiktheaterpremieren in Berlin zunächst jenseits der herkömmlichen Opernbühnen zu finden. Etwa im riesigen Hangar 1 des ehemaligen Flughafens Tempelhof: Hier bringt die Komische Oper, deren Stammhaus saniert wird, das revolutionär befeuerte 1968er-Skandalstück „Das Floß der Medusa“ von Hans Werner Henze in der Regie von Tobias Kratzer (ab 16.9.). Die freie Opernkompanie Novoflot, die seit Jahren assoziationsreiche Dekonstruktionen des unmöglichen Kunstwerks Oper bietet, kreiert eine digital-analoge Musiktheaterinstallation an der Glasfassade der Akademie der Künste am Pariser Platz: „Die Harmonielehre #2 Operncall“, orientiert an Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ (ab 28.9.). An der Neuköllner Oper kommt im Oktober „Der Teufel im Lift“ zur Uraufführung, Autor John von Düffel, die Lautten Compagney Berlin und Wolfgang Katschner lassen Bach-Kantaten auf surreale Vorgänge in einem Hotel treffen (ab 14.10.).

Rückkehr eines Publikumslieblings

Im Schillertheater, dem neuen Übergangsquartier der Komischen Oper, kehrt Ex-Intendant Barrie Kosky als Gast-Regisseur zurück und inszeniert John Kanders Musicalerfolg „Chicago“. Glamour, Showtime und Camp bleiben dem Haus also erhalten (ab 28.10.). Eine gute Gelegenheit, den neuen musikalischen Chef der Komischen, James Gaffigan, kennenzulernen, bietet Mozarts „Le nozze di Figaro“ in der Neuinszenierung von Kirill Serebren­nikov. Erneut dürften die ­Dynamiken der Liebe scharfsichtig aus heutiger Perspektive durchleuchtet werden (ab 27.4.) Längst fällig für die Komische: Eine Neuinszenierung der berühmtesten DDR-Operette: Gerd Natschinskis Messeschlager „Gisela“ aus dem Jahr 1960, die Irrungen und Wirrungen rund um das Mode­atelier VEB Berliner Schick behandelt. Das Ganze wird in einem Zelt am Roten Rathaus von Kult-Regisseur Axel Ranisch in Szene gesetzt (ab 8.6.).

Ab 2025 Intendant der Staatsoper Hamburg, bis dahin freischaffender Regisseur, unter anderem für die Komische Oper: Tobias Kratzer
Ab 2025 Intendant der Staatsoper Hamburg, bis dahin freischaffender Regisseur, unter anderem für die Komische Oper: Tobias Kratzer

Die Deutsche Oper präsentiert „Written on Skin“ von George Benjamin, die seit der Uraufführung 2012 beim Festival in Aix-en-Provence für Furore sorgt. Die neuartige Lesart einer alten provencalischen Sage über Liebe, mörderische Eifersucht, Auflehnung und Freiheit kommt in der Inszenierung von Katie Mitchell auf die Bühne, Marc Albrecht dirigiert (ab 27.1.). Lohnend dürfte auch die Neuinszenierung von Peter Tschaikowskys „Pique Dame“ mit Hanna Schwarz als geheimnisvoller Gräfin in der Regie von Sam Brown und mit Sebastian Weigle am Pult sein (ab 9.3.). Endlich kommt auch der Evergreen „Nixon in China“ von John Adams szenisch nach Berlin. Der Clou: die satirische, überdrehte Handlung übernimmt das wagemutige Opern­kollektiv Hauen und Stechen (ab 22.6.).

Von Queer Art bis Barockoper

Auch an der Staatsoper Unter den Linden sind Mitglieder von Hauen und Stechen vertreten, gleich zu Beginn der Spielzeit an der Kammerbühne Linden 21. Hier bringen sie mit Countertenor Nils Wanderer „Don’t you Nomi“ zur Uraufführung, eine Hommage an den legendären Sänger Klaus Nomi, der um 1980 von New York aus mit seiner Kunst zwischen Oper, New Wave, Chanson, Rock, Camp, Queer Art und Science Fiction visionäre Impulse setzte (ab 7.10.). Bald darauf locken an der Staatsoper die Barocktage, diesmal unter anderem mit der Neuinszenierung von Marc-Antoine Charpentiers „Médée“, selten zu erleben hierzulande, inszeniert von Peter Sellars, in einem Bühnenbild von Architekt Frank O. Gehry, dirigiert von Simon Rattle, mit Magdalena Kožená als Médée (ab 19.11.). Eine weitere Opernrarität ist an der Staatsoper im Juni mit Modest Mussorgskis „Chowanschtschina“ zu erleben, Simone Young dirigiert, Claus Guth führt ­Regie (ab 2.6.).

Herausgeputzt für die neue Spielzeit: die Staatsoper Unter den Linden
Herausgeputzt für die neue Spielzeit: die Staatsoper Unter den Linden

Oper konzertant gibt es bei den Berliner Philharmonikern im Rahmen des Themenschwerpunkts „Heroes“, etwa in ­Richard Strauss’ „Elektra“ mit Nina Stemme in der Titelpartie und Philharmoniker-Chef Kirill Petrenko am Pult (4./7.4.). ­Johanna von Orleans ist die Titelheldin im Oratorium ­„Jeanne d’Arc au bûcher“ von Arthur Honegger, Alan Gilbert leitet die Philharmoniker und den MDR-Rundfunkchor. (6./7./8.6.). Anlässlich des 150. Geburtstags von Arnold Schönberg 2024 gibt es bei den Philharmonikern einen weiteren Schwerpunkt, im Januar etwa mit der Kammersinfonie Nr. 1 und dem Oratorium „Die Jakobsleiter“, Kirill Petrenko dirigiert (25./26./27.1.). 2023 feiert das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) sein hundertjähriges Bestehen. Das wird mit seinem Leiter Vladimir Jurowski als Reise durch die Musikgeschichte gefeiert (29.10.). Und noch ein Jubiläum: Komponist Péter Eötvös wird im Januar achtzig Jahre alt. Mit dem RSB und Xavier de Maistre präsentiert er sein Konzert für Harfe und Orchester, zudem werden Werke von Wagner und Debussy zu hören sein (25.2.).

Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin (DSO) hat für die Saison die Devise „Kein Konzert ohne Komponistin!“ ausgerufen. Zu entdecken ist etwa Musik der New Yorker Komponistin Jessie Montgomery, interpretiert von DSO und Dirigentin ­Marin Alsop, neben Werken von Brett Dean und Antonín Dvořák (1.10.). DSO-Chef ­Robin Ticciati stellt eine Sinfonie von Marianna von Martines Werken ihrer Zeitgenossen Mozart und Haydn gegenüber (28./29.6.). Und dann noch: Zum ersten Mal arbeitet das DSO mit den Pet Shop Boys zusammen, im Format „Schöne Töne Live“ (10.11.). Das Konzerthausorchester ist unter den großen Orchestern Berlins das erste, das eine Frau in der künstlerischen Leitungsposition hat: die gefeierte Dirigentin Joana Mallwitz. Ihr Neujahrskonzert verspricht erfrischend zu werden, mit Musik von Monteverdi bis Bernstein (1.1.). Karfreitag steht Benjamin Brittens „War Requiem“ mit Joana Mallwitz auf dem Programm (29.3.).

Feiern hundertjähriges Bestehen: Vladimir Jurowski und das RSB
Feiern hundertjähriges Bestehen: Vladimir Jurowski und das RSB

Musikalische Sternstunden jenseits von Berlin

Jenseits der Berliner Stadtgrenzen lädt die Kammerakademie Potsdam (KAP) zu vielseitigen Programmen mit Gaststars ein. So kommt Geigerin Isabelle Faust als Solistin mit Antonín Dvořáks Violinkonzert nach Potsdam, KAP-Chef Antonello Manacorda dirigiert beim Konzert auch Werke von Mozart und Grażyna Bacewicz sowie eine Uraufführung von Clara Iannotta (13.1.). Am 10.2. sprechen die Trommeln bei der KAP, etwa in Werken von ­Xenakis und Eötvös. Solist ist Schlagzeuger Christoph Sietzen, Gastdirigent ist Duncan Ward. Bratschistin Tabea Zimmermann kommt in Personalunion als Solistin und Dirigentin zur KAP mit Bach, Brahms, Hindemith und Gubaidulina (27.4.). Heiß ersehnt sind jedes Jahr auch die Auftritte der KAP bei der Potsdamer Winteroper im Neuen Palais. Diesmal gibt es „Blond Eckbert“ der Zeitgenossin Judith Weir und „Acis und Galatea“ von Händel. Justin Doyle dirigiert, Regie führt Joe Austin (ab 18.11.).

In Cottbus gibt es die passende Oper zum Haus: Strauss’ „­Rosenkavalier“. Die Jugendstil-Dekadenz im Rokoko-Gewand im Jugendstilbau des Staatstheaters – das hat was! Tomo Sugao inszeniert, die musikalische Leitung übernimmt GMD Alexander Merzyn (ab 14.10.). Als Kontrast fegt am Ende der Spielzeit der grotesk-makabre Musical-Thriller „Sweeney Todd“ von Stephen Sondheim über die Bühne. Regie führt Cordula Däuper, Johannes Zurl leitet musikalisch (ab 8.6.). Frankfurt (Oder) wiederum klingt nach Ozean und Hollywood, wenn das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (BSOF) spielt. Etwa bei Britten, Debussy und Takemitsu mit Pianist Herbert Schuch und Gastdirigent Martijn Dendievel (10.11.) und beim Filmmusikkonzert mit Bernd Ruf am Pult (15.12.). GMD Jörg-Peter Weigle setzt das Spielzeitmotto „OrientOderOkzident“ mit Stücken von Rimski-Korsakow und Borodin um, Hornist Radek Baborák, aktueller Residenzkünstler, spielt das Hornkonzert des 1875 in Kiew geborenen Reinhold ­Glière (16.2.). Es gibt also viel zu tun für Klassik-Fans.
















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